„Denglish“ oder „Denglisch“ (hier ein Link für Wissensdurstige) braucht man nicht vorzustellen (ich bin ja in den Augen einiger Kollegen auch equity-partner in einem litigation department in der one-man-workgroup labour law). In Berlin lebt mindestens eine deutsch-amerikanische Kabarettistin (Gale Tufts) hervorragend davon. Auch andernorts – in Mecklenburg-Vorpommern – erhält Denglish Jobs, sogar außerhalb des Kabaretts.
Wie?
Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern in einer jetzt begründeten Entscheidung vom Februar (28.02.2012, 2 Sa 290/11) vorgeführt. Da ging es um banale deutschrechtliche BGB-Geschichten. Vor allem aber um eine Kündigung (eines Arbeitsvertrags natürlich). Der Reihe nach.
Die Klägerin bekam die – schriftliche – Kündigung. Der Anwaltskollege (m/w), der das in die Hände bekam, entdeckte darauf eine wahre Goldgrube. Das Kündigungsschreiben war von einem Herrn *Grumpf* unterzeichnet. Pflichtgemäß wurde dann offenbar vom offenbar versierten Kollegen erst einmal geprüft, wer Herr *Grumpf* sei. Der Geschäftsführer oder Prokurist war er nicht, was den Kollegen veranlasste, das Kündigungsschreiben frech zurückzuweisen (zu den Feinheiten und Unfällen vgl. BAG, Urteil v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, ab Rd.-Nr. 35) – wegen des notorischen und vielbesprochen § 174 BGB, in voller Schönheit hier noch einmal:
§ 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
Der Kündigung war nämlich keine Vollmacht für *Grumpf* beigelegt.
Dagegen gibt es im Arbeitsrecht ein letztes Mittel, das an den zweiten Satz dieser Vorschrift anknüpft. Man nennt das die „Personalleiterrechtsprechung“ des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend BAG, Urteil v. 30.05.1972 – 2 AZR 298/71). In einem Betrieb weiß danach in der Regel ein jeder, dass der Personalleiter kündigen darf. Gibt es ihn, ist § 174 BGB daher wirkungslos. Was ein Personalleiter ist und wann man ihm gleichgestellt ist, darüber wird deshalb immer gestritten.
Wie war es also in Rostock? Ja, da lassen wir mal das LAG M-V sprechen:
Das Kündigungsschreiben war von “x. y., Contact Center Manager” unterschrieben.
(Xy ist dabei gleichzusetzen mit *Grumpf*).
Was ist das also? Können Contact Center Manager wie Personalleiter kündigen? Sind sie vielleicht Personalleiter? Oder sind sie was Unanständiges, irgendwie kontaktsuchend…?
Der Beklagten fiel dazu was ein:
Der Arbeitsvertrag der Klägerin war durch eine andere Person, den damaligen “Facility Director” unterschrieben.
Dabei sollte es sich – angeblich – um dieselbe Stelle handeln. Das soll dann wohl heißen: Wenn der Arbeitsverträge unterzeichnet, darf er auch kündigen. Das Argument ist weder überzeugend – jedenfalls für sich allein – noch zieht es erfahrungsgemäß bei Gericht.
Hier auch nicht. Auf Sprachkenntnisse kommt es dann zusätzlich noch an:
Die Beklagte hätte der Klägerin im Arbeitsvertrag oder während des Arbeitsverhältnisses einen Weg aufzeigen müssen, auf dem diese vor Zugang der Kündigung unschwer erfahren kann, welche Person die Position inne hat, mit der das Kündigungsrecht verbunden ist. Dass sich im Intranet eine in englischer Sprache geschriebene Aufgabenbeschreibung für Herrn G. befindet, ist angesichts der nicht nachgewiesenen Englischkenntnisse der Klägerin ohnehin unerheblich.
Das – vor allem die von uns hinzugesetzte Hervorhebung – ist knackig und sollte vielleicht dazu führen, dass man sensiblere Bezeichnungen wählt.
Allerdings können wir uns nicht zu 100% anschließen.
Wenn man es kritisch sieht, muss man bedenken, dass wir auch Arbeitnehmern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, zumuten, komplexe Arbeitsvertragsklauseln auf Deutsch zur Kenntnis zu nehmen und zu verstehen – selbst dann, wenn alle Beteiligten wissen, dass der Betroffene kein Wort Deutsch spricht oder versteht (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.02.2012 – 11 Sa 569/11).
Wer in einem Betrieb arbeitet, der Teile seiner Alltagsverwaltung und seiner Mitarbeiterinformation auf Englisch führt, dem kann man deshalb – meinen wir – ohne weiteres zumuten, auch englischsprachige Inhalte zur Kenntnis zu nehmen.
Englisch hat im Geschäftsleben unstreitig eine Sonderstellung, das lässt sich nur bei absoluter Blindheit leugnen. Deshalb muss man das Tor nicht so weit aufmachen, dass selbiges z.B. für Chinesisch in der deutschen Bleistiftfabrik einer chinesischen Muttergesellschaft gilt. Aber der apodiktische Ausspruch des LAG hat das Zeug, missverstanden zu werden und die Runde zu machen.
Das ist umso bedenklicher, als man dieselbe Entscheidung auch anders begründen kann. Ist der Titel nicht eindeutig (eben „Personalleiter“), bringt auch eine glasklare Intranetinformation nichts. Egal, ob Deutsch, Englisch oder Chinesisch. Man darf nämlich nicht davon ausgehen, dass die Mitarbeiterin das überhaupt liest: § 174 BGB verlangt ein unmittelbares „In-Kenntnis-Setzen“ der Mitarbeiterin. Da kann man nicht einfach auf das Intranet verweisen. Das BAG hat in der Personalleiterrechtsprechung auch nicht behauptet, wenn man genau hinsieht, dass die Vollmacht des Personalleiters den Mitarbeitern bekannt gemacht wurde – es hat sie nur als derart offensichtlich angesehen, dass es schlechterdings treuwidrig (§ 242 BGB) sein soll, sich gegenüber Personalleitern darauf zu berufen. Reine Intranetveröffentlichung reicht daher wohl nie aus.
Was nicht verhindern wird, dass sich der falsche Satz bedenklich verbreiten könnte.