Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
10.10.2013

Das bessere Arbeitsgericht (in Bayern)

…ist bekanntlich das Verwaltungsgericht, wie der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22.04.2013 (17 P 12.1862) zeigen könnte.

„Stinkefinger“ – im zurückliegenden Wahlkampf eine vieldiskutierte Geste – sind für Personalräte einfach tabu. Deshalb musste ein Personalrat im Bayerischen seine fristlose Kündigung hinnehmen.

Schwer ist es, Personalräte zu kündigen.

Es geht schon förmlich nur mit Zustimmung des Personalratsgremiums. Das kann man, wenn es nicht mitspielt, in einem mehrinstanzlichen Beschlussverfahren zur Zustimmung zwingen, braucht aber gute Kündigungsgründe, wie eben, meint der VGH, den Stinkefinger. Das Verfahren findet zwar vor den Verwaltungsgerichten statt, richtet sich aber nach dem ArbGG ist in allen Bundesländern etwa wie § 103 BetrVG ausgestaltet. Man kann sich ein paar Jahre über die Zulassung der Kündigung streiten und dann noch ein paar Jahre über die Kündigung selbst.

Schön ist übrigens, dass der „Stinkefinger“ hier ein ungewöhnlicher war, nämlich – nach Behauptung des Personalratsmitglieds – ein verbaler:

Der Vorfall vom 2. März 2012 habe sich nicht wie geschildert abgespielt. Die Beteiligte zu 2 habe Frau V. nicht den „Stinkefinger“ gezeigt, sondern nur gesagt, dass man ihn ihr diesen wegen der auf der Station vorzufindenden Zustände (insbesondere der Pflegedokumentation) zeigen müsste.

Das hat der VGH den Beteiligten angesichts mehrerer Zeugenaussagen dann wohl nicht abgenommen. Er hat dann mustergültig nach der sog. Zweistufentheorie (Kündigungsgrund „an sich“, Abwägung des Einzelfalls – das gilt bei uns Juristen als „Theorie“) subsumiert und kam zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis auch in der Vergangenheit nicht unbelastet war und daher das Vorhalten des „Stinkefingers“ jedenfalls so grob sei, dass ohne weitere Abmahnung gekündigt werden könne.

Sie müssen das einmal vergleichen mit der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz zu einem wenig schönen W-Wort (Urteil vom 18.08.2011 – 2 Sa 232/11). Nein, wenn es sich um eine emotionalisierte Situation handelt (war es beim VGH auch), kann man auch auf eine Abmahnung ausweichen. Nein, gerade eine Toleranz in der Vergangenheit gegenüber Grobheiten gibt Anlass, an den Segen der Abmahnung zu glauben, es ist eben alles einzelfallabhängig (so in etwas zum A-Wort das LAG Niedersachsen, Beschluss vom 25.10.2004 – 5 TaBV 96/03).

Man darf Einzelfälle nicht vergleichen. Ich weiß das. Und dass Verwaltungsgerichte die besseren Arbeitsgerichte sein sollen, ja, verzeihen Sie mir das – ich schreibe das ja bloß auf einem Blog. Ich würde es in keinem Gerichtssaal ernsthaft unterstellen.

Nie.

Allenfalls im Scherz.

Und in Bayern?

Aber finden Sie auch, dass die Verwaltungsrichter manches Mal den Fall vor lauter Abwägung noch sehen, während den Kollegen der Arbeitsgerichtsbarkeit schon der Kopf schwirrt?

Sie dürfen eine eigene Meinung haben…