Jemandem Duschkabinenfotos zu schicken, kann auch mal den Arbeitsplatz kosten. Das gilt nicht nur, wenn die Abbildungen schlüpfrig sind:
Herr K arbeitet bei einem Duschkabinenhersteller (B). Wie so viele Hersteller stellt der kaum etwas her. Er hat vielmehr ein Joint Venture in China. Die stellen den Großteil „seiner“ Duschkabinen billig her. Hier wird dann ein wenig zusammengeschraubt und dann gibt es Duschkabine vom Feinsten.
Es gibt leider einen ähnlichen Duschkabinenhersteller, sagen wir mal C. Warum auch immer: Herr K schickt ihm die Preislisten des Chinesen mit schönen Fotos der Duschkabinen. Alles Zeugs, sagt er später, das man auch im Internet oder auf Anfrage hätte bekommen können. Nichts Geheimnisvolles. Sagt er später.
Das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.09.2011 – 6 Sa 278/11) hat trotzdem seine fristlose Kündigung hochgehalten. Er habe Betriebsgeheimnisse verraten. C habe sich durch seine Informationen ein besseres Bild von der Angebotslage machen können.
Warum ist das erzählenswert – abgesehen davon, dass die Entscheidung machen als besonders hart überrascht hat? Nun, es geht um das ewige Thema „Betriebsgeheimnis“. Da ranken sich eine ganze Menge Mythen drum.
Das Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnis (eine echt scharfe Terminologie gibt es nicht) fängt früher an als die Meisten glauben. Zunächst muss es nicht besonders geheim sein. Oder gar rechtlich geschützt wie ein Patent.
In den meisten Betrieben, vor allem aber in der Industrie, gibt es einfach bestimmtes Erfahrungswissen, das alle anderen auch haben könnten – aber nicht haben. Deshalb ist man eben besser als die Konkurrenz.
Dazu gehört es, wenn man mit viel Mühe ein Joint-Venture in China aufbaut, um erstklassige Duschkabinen zu tollen Preisen zu bauen. In so etwas muss man eine Menge Arbeit stecken und man will nicht, dass die Konkurrenz auch weiß, wie das geht. Es macht eben auch einen ziemlichen Unterschied, ob man im Internet einen chinesischen Duschkabinenhersteller findet – dem wird man deshalb nicht gleich einen Auftrag geben. Oder ob man dessen Adresse mit Empfehlung Kontaktdaten, Erfahrungsbericht und Bildbeispielen bekommt – dann wird es schon konkreter mit der Geschäftsbeziehung. Bei Vertrieblern oder im Dienstleistungsgeschäft sind Kundenkontakte ähnlich wichtig wie Know-how in der Industrie: Die Kunden stehen alle im Telefonbuch, klar. Aber welche von denen, die da stehen, wollen eigentlich kaufen, zu welchen Konditionen, und was? Das kann man sich während seiner Vertriebstätigkeit auf seinem privaten (!) Notebook in eine Tabelle schreiben. Verwendet man die, hat man trotzdem ein Geschäftsgeheimnis verletzt (BGH, Urteil vom 27. 4. 2006 – I ZR 126/03).
Der Herr K in diesem Fall hatte also nur eine längst bekannte Regel verletzt. Und wer sich auskennt, der weiß auch, dass er sich dagegen mit von vornherein sinnlosen Argumenten verteidigt hat: Das ist alles ganz einfach öffentlich zugänglich, ich habe keine eigenen Interessen verfolgt und überhaupt bin ich doch ein freier Mensch. Das kann teuer werden. Man ist seinem Arbeitgeber zur Treue verpflichtet – und das gilt auch für Duschkabinen. Die Treue muss man nicht in US-typischen, seitenlangen Klauseln in den Arbeitsvertrag hineinschreiben (die manches Mal die Schuhgröße eines Gesellschafters als Geschäftsgeheimnis darstellen). In Deutschland gelten diese Verpflichtungen auch ohne solche Regeln. Und der Typ (K) kann froh sein, dass man ihn nur gekündigt und nicht mit Unterlassungs- und Schadensersatzprozessen überzogen hat.
Eine persönliche Anmerkung. Ich würde den Fall natürlich ganz anders sehen, wenn der verletzte Arbeitgeber B der räudige Hund sein sollte, der meine Duschabtrennung hergestellt hat. Das bereits bei Bezug eingebaute, schick aussehende, aber völlig namenlose Duschprodukt muss aus China kommen und ist kein Geschäfts- sondern ein Weltgeheimnis. Keiner (keiner!) weiß nämlich, wo es die verdammten Dichtungen dafür gibt und jeder ergreift die Flucht, wenn man danach fragt. Von mir aus kann der „Hersteller“, der das zu verantworten hat, einfach draufgehen. Wegen Geheimnisverrats, sehr gerne. Jawohl. Und der Mitarbeiter hätte sich auf übergesetzlichen Notstand berufen dürfen.
Weblinks
Zum Fall:
Zum Wettbewerb gegen den Arbeitgeber: