Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
15.03.2012

Das Böse im Betrieb

Der frühere Bundespräsident hat – als die VW-Affäre hochkochte – mal lauthals überlegt, ob die Betriebsverfassung so bleiben kann, wie sie ist. Unterton: Bestechung von Betriebsräten ist geradezu gefordert, wenn man einen blockierenden Betriebsrat hat.

Anders als bei VW soll es bei der Ferrostaal AG wenigstens nicht um Lustreisen gegangen sein. Die Betriebsräte sind angeblich schon mit Geld zufrieden gewesen, so 1,50 Mio im Laufe der Zeit. Das hat man zum Schein einem Architektenbüro gegeben, das es dann den Betriebsräten, ebenfalls auf Grundlage eines Scheingeschäfts, weitergereicht habe.

So sagt es die Anklage gegen den Ex-Vorstand Matthias Mitscherlich jedenfalls. Nicht vergessen wollen wir, dass dieses Mal auch die Betriebsräte gleich mit angeklagt sind. Das Betriebsverfassungsrecht hat eigene Straftatbestände für solche Fälle (in § 119 BetrVG), die mit einem Strafrahmen von einem Jahr Freiheitsstrafe eher milde und zudem sehr selten genutzt sind.

Alle streiten natürlich alles ab, da ist der Strafprozess nicht anders als der Kündigungsschutzprozess. Die Gegenleistung der Betriebsräte soll übrigens darin bestanden haben, dass sie einen Interessenausgleich und Sozialplan durchgewunken haben, den sie auch hätten blockieren können. Bedenkt man, dass eine Blockade hier auf Grundlage von § 111 BetrVG eine Umstrukturierung völlig ausbremsen kann, gibt es damit zumindest einen plausiblen Grund für den Verdacht. Man hat sich deshalb auch gleich erst einmal einen prominenten Verteidiger genommen.

Ist die Betriebsverfassung wirklich so ein Problem? Manchmal – ja. Tief blicken lässt die öffentliche Stellungnahme des Verteidigers eines der Betriebsratsmitglieder:

„…Es sei lediglich darum gegangen, Benachteiligungen auszugleichen, die den Arbeitnehmervertretern gedroht hätten. So habe der belgische Investor zur Bedingung gemacht, dass er die Tochterfirma von Ferrostaal nur ohne Betriebsräte übernehmen werde. Außerdem hätten die Arbeitnehmervertreter, die über viele Jahre hinweg für ihre Tätigkeit im Betriebsrat freigestellt worden seien, denkbar schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt…

Investoren wollen ganze Firmen kaufen, aber die Betriebsräte nicht? Wegen § 15 KSchG ist das in Deutschland unmöglich (rechtlich) und dennoch immer wieder eine Forderung. Mancher Investor will lieber ein paar Millionen Euro zusätzlich zum Herauskauf aufwenden, als einen Betriebsrat mit einkaufen. Absurde Ängste oder schlechte Erfahrungen?

Schwer zu sagen: In die „Datenräume“ und Gespräche bei Investitionsvorhaben hat kaum ein Außenstehender Einblick, alle sind zu strengstem Stillschweigen verpflichtet. Jeder, der mal so etwas gemacht hat, weiß aber, dass selbst Investoren aus einem tatsächlich oder vermeintlich sozial gesinnten Ausland – Schweden, Niederlande oder, wie hier, Belgien – oft krauselige Haare und eine blasse Gesichtsfarbe bekommen, wenn die das Wort „Betriebsrat“ hören. Der von mir x-fach geübte Versuch, britischen Investoren in einem Zweistundenseminar klarzumachen, worum es beim BetrVG überhaupt gehen soll, produziert regelmäßig spöttische bis zu Eis erstarrte Gesichter. Man fürchtet oft, was einem nicht vertraut ist. Daneben dreht sich die Unternehmenswelt oft schneller als die schwerfällige Betriebsverfassung. Nach der dritten Umstrukturierung in fünf Jahren arbeitet man oft noch die Beschlussverfahren aus der ersten vor Gericht ab.

Also weg mit dem Zeug?

Aber nein. Es reicht schon, Gesetz und Rechtsprechung ein wenig sensibler für die fatalen Folgen einer Blockadehaltung zu gestalten. Nebenbei: Im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder gibt es auch Mitbestimmung. Komisch: Diese Gesetze geben kaum Blockaderechte her. Der Gesetzgeber würde sich ja dann auch selbst in die Suppe spucken. Das macht man dann schon lieber bei Privaten.