Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
04.11.2010

Das “leere” Einschreiben und der Zugangsnachweis

 Der (Arbeitsrechts-)Kollege Martin berichtet über das Phänomen des “leeren” Einschreibens, allerdings in seinem Beitrag in Bezug auf einen

“…enthemmten polnischen Gegenüber [sic!]”

Das ist der, der das leere Einschreiben geschickt hat. Dem Arbeitsrecht ist kein Dreck dieser Welt fremd. Es gibt tatsächlich einen solchen Prozessvortrag:

Nein, das Schreiben habe ich nicht/einen Tag später/ in nicht unterschriebener Form bekommen.

Wie geht man damit um?

Weil z.B. Kündigungen im Arbeitsrecht nun einmal an eine Schriftform gebunden sind (§ 623 BGB), kann das für einen Arbeitgeber unangenehm werden. Er muss den Zugang und den Inhalt des Schreibens beweisen. Der Vortrag, in einem Schreiben sei tatsächlich ein leeres Blatt Papier gewesen, oder der Brief nicht unterschrieben, muss widerlegt werden. Mindestens in einem Fall haben wir selbst mal eine solche Dreistigkeit erlebt. Der Kollege Martin hat also Recht: Das gibt es wirklich.

Das LAG Berlin-Brandenburg hat sich mal sehr kritisch an einen Kläger rangemacht, der durch die Behauptung eines späteren Zugangs Kündigungsfrist schinden wollte. Es ist nicht so, dass Arbeitsrichter solchen zweifelhaften Unsinn einfach schlucken. Die Behauptung “leeres Blatt” ist aber kaum zu kontern.

Der pfiffige Vorschlag, dass man bei einem solchen Vortrag die Vorlage von Umschlag und Inhalt verlangen muss, hat etwas. Man kann bei einem so ungewöhnlichen “Schreiben” ja erwarten, dass es aufgehoben wird. Ausgetestet ist das meines Wissens aber nicht. Für eine solche gerichtliche Auflage spricht, dass leere Papierseiten vom Gewöhnlichen eben deutlich abweichen. Von so einem Schreiben hat niemand etwas. Der Kündigende will ja kündigen und stellt sich mit einem leeren Blatt selbst ein Bein. Der potentielle Lügner gerät durch eine solche Auflage ins Schwitzen - nochmals einen Bogen zu falten und Beweise zu fälschen, ist vielleicht ein Schritt, den ein Schriftsatzlügner nicht mehr gehen will. Für den angeblich nicht unterschriebenen Brief wird man das noch eher verlangen können.

Andererseits - die Beweislast ist eben eindeutig. Es bleibt nur die gute alte Zustellung mit dem Boten, der auch das Schreiben gesehen hat. Das ist die einzige Methode der Welt, die eine solche an den Haaren herbeigezogene, aber erfolgreiche Prozessführung des Kündigungsempfängers vereiteln kann. Das vermeintlich sichere Einschreiben kann es eben nicht. Es ist gefährlich.