Ein Mitglied des (eines) Betriebsrats der Modekette H&M gibt ein Interview im Neuen Deutschland (*). Titel:
„Direkter geht es gar nicht! H&M-Betriebsrätin Susanne Mantel über Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Angestellten im Einzelhandel“
Lassen wir mal die Feststellung, dass die Wirtschaftskrise (noch) anderswo spielt. Das Interview soll jedenfalls klären, was die Zusammenarbeit mit Blockupy streikenden H&M-Mitarbeitern allgemein und im Besonderen bringt.
Freilich muss man dazu erst einmal wissen, was „Blockupy“ ist, denn so bekannt wie H&M ist das Label ja nicht. Da kann man sich im Internet informieren (eine Homepage mit sicherer Verbindung gibt es natürlich). In Frankfurt blockierte Blockupy mal ein paar Filialen von H&M. Also, was bringt’s?
Auszug:
(Frage:) Bei den Blockupy-Aktionen waren die Reaktionen der H&M-MitarbeiterInnen bei Weitem nicht nur positiv…
(Antwort:) Das ist schwer zu sagen, weil einerseits die Atmosphäre bei H&M sehr familiär ist: Wir duzen uns zum Beispiel alle, die Stimmung bei der Arbeit ist in der Regel locker. Die Loyalität mit dem Arbeitgeber ist also tendenziell hoch, und das steigert natürlich die Hemmungen, die Arbeit aus Protest niederzulegen.
Das ist natürlich dumm.
Alle wollen protestieren, aber die Mitarbeiter nicht. Weil sie zufrieden sind? So wollte die Dame sicher nicht verstanden werden, das „ND“ hätte es ja sonst nicht gedruckt (ignorieren wir die drängende Frage, was das ND vor 25 Jahren gedruckt hätte, wenn ein paar Aktivistinnen in Leipzig einen Laden blockiert hätten, um auf die Bedingungen von Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen hinzuweisen). Aber erhellend ist das nicht. Oder, Frau Betriebsrätin?
Mit Gewerkschaften hat man es eher nicht:
Die Strategien der Gewerkschaft sind ja seit 30 Jahren mehr oder weniger dieselben und nicht immer effektiv, die Aktionen von Blockupy hingegen deutlich kreativer und auch öffentlichkeitswirksam.
(Pssst: aber rechtmäßig machen die Gewerkschaften das meist…)…Da können Sie ja mal bei Amazon nachfragen, ob die die jüngste Streikandrohung von ver.di wirklich so ineffektiv finden. Sie sagen es, aber wohl nur, weil dem einen oder anderen US-Manager das deutsche Arbeitskampfrecht ebenso wenig wie das kollektive Arbeitsrecht geläufig ist. Aber inneffektiv? Na ja:
Im Gegenzug beteiligen wir uns eben auch an Aktionen von Blockupy, die mit unseren konkreten Belangen nichts zu tun haben.
Aber bitte nicht als Streik. Das wäre ein rechtswidriger Streik. Anders als ein rechtmäßiger kann der zum Rauswurf führen.
Was also bringt jetzt bitte die „Zusammenarbeit“?
Liebes Neues Deutschland, liebe Frau Mantel,
wir wissen es nach dem Interview immer noch nicht! So was aber auch. Wir befürchten allenfalls, dass hier Missverständnisse über den Umfang des Streikrechts entstehen könnten.
Freundlichst, Ihr Leser
Hm. Klar ist, dass sich der Arbeitgeber H&M hinter einer „Sparrhetorik“ verstecken soll, wie Sie meinen. Wovor verstecken, ist nicht ganz klar. Prekär, prekär. Deshalb hat man auch den deutschen, linken Qualitätsjournalismus. Er hat nur in diesem einen Fall versagt, weil er mehr verwirrt als aufklärt. Dafür hat er eine eigene Sparrethorik. Denn auf der Internetseite unter dem Artikel prangt folgendes prekäres Banner:
Ja, ist das nicht so, als würde man H&M-Kunden in die Läden locken mit
„Ihre Klamotten werden hier von bezahlten Mitarbeitern verkauft. Wenn Sie nicht wollen, dass die noch schlechter bezahlt und noch mieser behandelt werden, kommen Sie gefälligst rein und zücken die Kreditkarte.“
Oder war der Journalismus in diesem Fall umsonst, aber eben nicht kostenlos? Er ist unterhaltsam, allemal! Also schließt Abos ab. Ich würde das ND ungerne missen. Nur die Simpsons sind mir lieber.
Ich nehme in Anspruch, dass ich ND schon vor 1989 gelesen habe, wenn es ging, deshalb habe ich meinen wirtschaftlichen Teil zum Überleben des Blattes damals beigetragen (Gottseidank ging es nicht immer und Gottseidank war es ein fernes Gruseln, aber bei „internationale Presse“ konnte man es am Stuttgarter Hauptbahnhof kaufen, komischerweise anders als die FAz in Leipzig). Das Design hat sich gebessert, aber ehrlich: Das mit den Marktmechanismen, da tappt Ihr immer noch durch dasselbe Dunkel? Nach all der Zeit?
Prekär.
(*) Das Neue Deutschland oder neue deutschland ist nicht neu. Es war von 1946 bis 1989 (Ende des real existierenden Sozialismus auf deutschem/Deutschem Boden) das “Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands” (SED). Es bezeichnet sich als “Sozialistische Tageszeitung” und fällt daher nach h.M. in den Anwendungsbereich des sog. Washingtoner Artenschutzabkommens über bedrohte Flora und Fauna (kurz “CITES”).