Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
12.04.2011

Aygül Özkan und die Überstunden ihres Fahrers

 

Die niedersächsische Sozialministerin ist seit ihrem Amtsantritt teils schuldlos, teils nicht ganz ohne eigenes Zutun immer wieder für Gerede gut. Wenn sie (besser: das Land) dann auch noch von ihrem Fahrer vor das Arbeitsgericht gezerrt wird, weil dieser sich falsch behandelt fühlt, (obwohl “gefeuert” für eine Versetzung ganz einfach nicht mehr mit den Tatsachen übereinstimmt), ist die Zeit reif für die BILD-Zeitung.

Tatsächlich hat Frau Ministerin ihren Fahrer wohl versetzen lassen. Er hat seinen Job immer noch, fährt aber nicht mehr die Chefin. Grund der Ministerin: Gestörtes Vertrauen. Aus den Berichten wird man nicht ganz schlau. Der Fahrer soll zu viele Überstunden für die angeblich anspruchsvolle Ministerin geschoben haben. Skandal? Weil sie nach Hause (Hamburg) gefahren ist, und das zu oft?

Wir kennen die arbeitsvertraglichen Gegebenheiten nicht. Vermutlich ist der Fahrer an den Tarifvertrag der Länder (TV-L) gebunden. Der verpflichtet ihn in § 6, bei Bedarf Überstunden in unbegrenzter Zahl zu leisten. Äußerste Grenze ist unabhängig von solchen Pflichten übrigens immer das ArbeitszeitG, das die Arbeitsstunden pro Tag und pro Woche öffentlich-rechtlich aus Gründen des Gesundheitsschutzes einschränkt. Und übrigens: Eine Regelung wie in § 6 TV-L wäre in einem Arbeitsvertrag rechtswidrig, weil man nicht erkennen kann, wie viele Überstunden nun konkret geleistet werden müssen. Solche Klauseln benachteiligen Arbeitnehmer unangemessen und werden bei einer AGB-Kontrolle eingestampft. Aber für Tarifverträge gibt es keine AGB-Kontrolle.

Wollte er nach Erreichen der Arbeitszeitgrenze im ArbeitszeitG nicht mehr fahren? Man weiß es nicht genau, die BILD interessieren solche Feinheiten eher nicht. Aber versetzen dürfte man ihn nach § 4 TV-L aus “dienstlichen Gründen”. Nur: Ist die “Versetzung” in den Fahrerpool oder die Zuweisung eines anderen Chefs eine Versetzung im Rechtssinne, gegen die man klagen kann? Auch hier gibt es Zweifel: Die Arbeit wird ja nicht wirklich anders dadurch, dass man einen anderen Chef oder eine andere Chefin fährt. Die “erhebliche Änderung der Umstände”, unter denen man die Arbeit verrichtet, ist eine Voraussetzung, um überhaupt eine klagefähige Versetzung zu bekommen. Ansonsten heißt es im Wesentlichen Mund halten und Arbeiten.

Fragen über Fragen. Aber interessant für die Öffentlichkeit ist eben nur, wie sehr die Ministerin angeblich den armen Fahrer genervt hat. Was uns zurück zu der Frage führt, ob er Überstunden schieben muss – nach § 6 TV-L müsste das “dienstlich” erforderlich sein. Ja, wenn die Ministerin in Hamburg wohnt, der Wagen sie von da zur Arbeit und zurück bringt: Was soll daran nicht dienstlich sein? Alles irgendwie absurd. In der HNA muss Frau Özkan sich sogar gegen die Behauptung ausdrücklich zur Wehr setzen, sie fahre täglich nach Hause. Warum?. Machen wir das nicht alle?

Die Antwort bleibt im Leinenebel. Oder im Maschseenebel. Ein Skandal wird daraus aber wohl nicht werden.