Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
26.04.2011

Auto kaputt, Arbeitgeber zahlt – Geschichte teurer Gefälligkeiten

 

In der Nähe von Hamburg. Zubehörhandel für Schiffsbedarf “Freddy Q. Nr. 7 GmbH”. Hein B. ist seit 2007 Angestellter bei Freddy Q. und liebt seine Arbeit. Es ist Herbst. Der Nebel legt sich nachmittags auf die blätterbedeckten Straßen. Als Hein “Tschüss” sagen will (was er auch, wie alles, mit “MoinMoin” hätte ausdrücken können), winkt Freddy Hein zu sich ins Büro.

“Hein, können Sie noch mal auf dem Heimweg beim Kunden X vorbeifahren und ihm die Schiffsschraube bringen?”

“Klar Chef. Mach ich doch gerne! Sind bloß 126 km Umweg. Und das Ding passt grad in meinen Kofferraum – der Passat ist ja schon drei Monate alt, also quasi abgenutzt. No problem!”

“Super!”

Hein wuchtet die Schraube in den Kofferraum (Jahre später soll ein Bandscheibenschaden diagnostiziert werden, aber das ist nicht unserer Sorge). Er setzt sich in seinen neuen Passat und braust los. Die Fahrt endet im Heck eines anderen Fahrzeugs, das seinerseits eine Vollbremsung machen musste, weil ein in Bayern entlaufener Wolpertinger plötzlich seinen Weg kreuzte. Den Schaden von fast 8.000 EUR an seinem – nicht kaskoversicherten – Passat will Hein von Freddy Q. ersetzt haben.

Die offizielle Version des BAG-Urteils zu diesem Sachverhalt (28.10.2010, 8 AZR 647/09) verschweigt aus offensichtlichen Gründen die Passage mit dem Wolpertinger, was verzeihlich, weil rechtlich irrelevant ist. Wer das Urteil versucht, mit dem FAZ-Beitrag “mein Urteil” zu finden, sucht übrigens vergeblich, das Aktenzeichen stimmt nämlich nicht.

Was Freddy und alle anderen Arbeitgeber wissen wollen ist, ob sie für den Schaden geradestehen müssen.

Bitter: Sie müssen. Wenn der Arbeitnehmer sich nicht so dämlich angestellt hat, dass man ihm bei einem Unfall grobe Fahrlässigkeit attestieren muss. Im vom BAG entschiedenen Fall war Hein grob fahrlässig (der Teil der offensichtlich heimlich gefertigten Urteilsbegründung, nach der man immer mit dem Auftauchen eines Wolpertingers, auch in Hamburg, rechnen müsse, wurde natürlich unterdrückt. Vermutlich hätte er einer Sprungrevision zum BayObLG nicht standgehalten, denn jeder weiß, dass es die Tiere außerhalb Bayerns gar nicht gibt). Er bekam nichts.

In den meisten Fällen wird im Straßenverkehr eine leichte Fahrlässigkeit vorliegen. Dann zahlt der Arbeitgeber – auch einen Großschaden. Beschränkungen wie die für irre Putzfrauen gibt es nicht.

Wie kommt man darauf? Das ist eines der großen arbeitsrechtlichen Kunststückchen der Nachkriegszeit: Es handelt sich bei dem kaputten Auto (wer dabei an “Autoput” denkt, liegt daneben) um einen Aufwendungsersatz nach § 670 BGB. Das ist einerseits klar: Arbeitnehmer nutzt Auto im Auftrag des Arbeitgebers; dass es ein Ausgleichsbedürfnis für solche Fälle gibt, kann man auch einsehen. Andererseits ist das schlicht falsch: § 670 BGB gilt nur für Aufträge – das sind nach dem BGB die exakten Antipoden von Arbeitsverträgen, nämlich Dienstverträge ohne Entgelt.

Zu den schönsten BAG-Beschlüssen gehört deshalb die Entscheidung des Großen Senats vom 10.11.1961 (GS 1/60). Denn sie legt erst dar, warum die so passende Vorschrift gerade nicht anwendbar ist, um dann eine Art “Rechtsgedankensanalogie” gegen den erkannten Willen des Gesetzgebers zu finden – irgendwie müsse es doch so gehen, wie man es haben wolle. Die Konstruktion wird dann noch eingeschränkt durch das 1960 sicher nicht unverdächtige Beispiel des Gerichts:

“…Wenn sich eine Sekretärin bückt, um aus dem untersten Fach eines Regals ein Buch herauszunehmen, und es dabei Laufmaschen gibt, so kann sie vom Arbeitgeber nicht ein neues Paar Strümpfe oder den Kaufpreis dafür verlangen…”

Ein Schelm, wer den Richtern von damals Böses dabei unterstellt…die Rechtsregel soll also immer gelten, aber nur, wenn es richtig ist. Gute Regel, nicht wahr?

Wenn sich die Sekretärin auf meine Anweisung bückt (fiktives Beispiel), ist aber gar nicht zu erkennen, wie ich mit dieser Rechtsregel den Schadensersatz versagen will, wenn er im Autofall funktioniert.

Ja. Ein Wunder des Arbeitsrechts eben. Und Besorgungen sollte man Mitarbeiter eben nicht mit den Privatwagen machen lassen. Dass der Arbeitgeber beim BAG gewonnen hatte, ist nach alledem nämlich schlichter Zufall. Mehr nicht.