Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
14.09.2010

Außerdienstliches Verhalten: Sex, Drugs and Rock and Roll

 Kachelmann und Sarrazin eint, dass sie die Öffentlichkeit dazu gebracht haben, über Rechtsfragen zu spekulieren und (im Falle von Journalisten) zu “berichten” von denen die Verfasser keine Ahnung haben, sie nicht richtig verstehen und an denen eigentlich niemand interessiert ist. Das Rechtssystem kann z.B. sicher verschmerzen, dass wir jetzt noch weitere 6 Jahrzehnte Bundesbank vor uns haben und immer noch nicht wissen, wie man ihre Direktoren entlässt. Angeregt von Kachelmanns Geplänkel mit dem Richter über die Frage, ob die Stellung eines “Verwaltungsratspräsidenten” seines (schweizerischen) Unternehmens vergleichbar sei mit der eines Geschäftsführers (in der deutschen GmbH) hat man sich im Kollegenkreis die durchaus ernste Frage gestattet, ob man einen Arbeitnehmer, nennen wir ihn Jörg K., feuern kann, wenn er in einen Vergewaltigungsprozess verwickelt wird, der derart schwere Vorwürfe (zum Charakter, aber auch zu Anwendung von Gewalt) beinhaltet. Es kommt schließlich durchaus vor, dass Arbeitnehmer plötzlich mit Strafvorwürfen konfrontiert sind (in meiner Praxis verschwand mal ein Arbeitnehmer monatelang in der Untersuchungshaft wegen einen BtM-Delikts, der Arbeitgeber wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben). Geht’s oder geht’s nicht? Die richtige Antwort ist immer “Es kommt darauf an”. Gähnen Sie nicht: Worauf kommt es an, das ist doch die Frage. Versuchen wir es: Untersuchungshaft alleine per se ist kein ausreichender Kündigungsgrund. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber nicht durch Entgeltfortzahlungen belastet ist und ob er zumutbar überbrücken kann. Die Verbüßung einer längeren Strafhaft ist zwar grundsätzlich geeignet, aber auch nur, wenn man dadurch eine betriebliche Störung erleidet (BAG, Urteil vom 09.03.1995 - 2 AZR 497/94), was sehr einzelfallbezogen ist und z.B. bei Freigängern (das sind Leute, die nur im Gefängnis schlafen müssen) abgelehnt werden kann (BAG, Urteil vom 20. 11. 1997 - 2 AZR 805/96). Das ist bezogen auf einen Wettermoderator deshalb interessant, weil er meistens am Abend vor der Kamera steht (meint jedenfalls der TV-Laie). Da Zelleneinschluss um 18 Uhr ist, auch für Freigänger im offenen Vollzug, kann man abends nicht im Studio sein. Das wäre schon eine Ablaufstörung - sie trüge auch eine Kündigung. Allerdings sähe die Sache natürlich anders aus, wenn man die Sendung aufzeichnen könnte, so 2, 3 Stunden vorher etwa. Unterstellen wir spaßeshalber, der Häftling kann während des Freigangs arbeiten (Vergewaltiger bekommen den meist nicht, aus naheliegenden Gründen). Rechtfertigt dann (a) ein Schuldspruch mit anschließender Gefängnisstrafe trotzdem eine Kündigung und wie sieht es (b) damit aus, ihn zu kündigen, weil es den Prozess und den Medienrummel überhaupt gibt? Schließlich will man vielleicht mit niemandem mehr arbeiten, der als möglicher Vergewaltiger gilt? Die Rechtsprechung ist da ziemlich klar: Nur, wenn dieser Reputationsverlust einen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis hat. Sexualverhalten war auffallend oft Gegenstand der Rechtsprechung. Die sexuellen Neigungen sind prinzipiell Privatsache (Urteil vom 23.06.1994 - 2 AZR 617/93). Das LAG Hamm befand 2001, eine Grundschullehrerin dürfe einen Swingerclub betreiben, wenn das 70 km von der Schule entfernt geschehe. Eng wird es nur bei sog. Tendenzbetrieben. Wäre die Grundschullehrerin an einer konfessionellen Grundschule gewesen, wäre die Kündigung daher unausweichlich, weil bei Tendenzträgern höhere Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten gestellt werden. Wäre Jörg K. daher Angestellter einer Produktionsfirma, könnte man ihn bislang nicht und nach einer Verurteilung nur dann kündigen, wenn er deshalb nicht mehr arbeiten kann. Es sei denn, ja es sein denn - man bewertete die Reputationsschädigung für den Hauptabnehmer, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, besonders hoch. Kann man machen: Dann klappt die Kündigung aber erst nach dem Schuldspruch. Wie stünde man auch da - erst wirksam gekündigt, vom Strafgericht aber freigesprochen?