Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
08.11.2011

Arbeitsrichter sind alle fehlgeleitet…

..oder haben die doch nur Jura studiert?

Es gibt so einige Studien, die man sich sparen könnte (Beispiele hatten wir auch schon berichtet). Wir fragen uns immer nur, wer die bezahlt.

Jüngstes Beispiel: Nach mehreren Pressemeldungen hat die TU Darmstadt unter der Autorenschaft der Hochschullehrer Michael Neugarth (Darmstadt) und Helge Berger (Berlin) folgende Sensation aufgedeckt:

Arbeitsgerichte entscheiden konjunkturabhängig!

Erstes Manko ist anscheinend, dass dieser Titel irreführend wäre (*). Denn es geht bei den „Ergebnissen“ nicht um Konjunktur, die volkswirtschaftliche Gesamtbewegungen beschreibt, sondern schlicht um regionale Besonderheiten. Ein anderer Arbeitsrechtler (Kollege Stühler-Walter) hat das schon aus Arbeitnehmersicht kommentiert: Die Studie meint offenbar, eine unterschiedliche Rechtsprechung auszumachen, je nachdem, ob man sich in einer wirtschaftlich starken Region bewegt oder nicht. Logik: Stuttgart ist wirtschaftsfreundlich, daher haben Arbeitnehmer keine Chance, Berlin oder gar Rostock hängt dagegen die roten Fahnen auf.

Jetzt könnte man seine subjektiven Befindlichkeiten mitteilen (die umgekehrt sind – je stärker eine Region, desto großzügiger der Umgang mit Arbeitnehmern), aber das ist letztlich nur – Unfug. Die Rechtsvereinheitlichung ist nirgends so fortgeschritten wie im Arbeitsrecht. Kongresse, Meinungsaustausch und Publikationsintensität lassen zumindest bei Standardfällen bundesweit einheitliche Maßstäbe zu. Und im Übrigen gilt sicher, dass drei Juristen vier Meinungen haben – das ist aber keine Besonderheit der Arbeitsgerichte. Gute Richter gibt es übrigens überall, auch und gerade in Rostock.

Was indes dem Fass den Boden ausschlägt, stand in den NW-News:

„…Die Chancen der Arbeitnehmer, ihre Prozesse zu gewinnen, seien außerdem höher, wenn sie von einem Gewerkschaftsanwalt vor Gericht vertreten werden…“

Es reicht dann aber auch, oder? Demnächst organisieren wir mal einen Sternmarsch der Anwälte auf die TU Darmstadt…

Es gibt keine „Gewerkschaftsanwälte“! Die haben Rechtssekretäre.

Abgesehen davon, dass man da keine zwei Staatsexamina braucht, ist – bleiben wir fair und zurückhaltend – die Qualität der Prozessführung nachweislich nicht besser als bei der Anwaltschaft. Liegt – nebenbei – am Arbeitspensum. Die Rechtssekretäre und -innen müssen ein atemberaubendes Pensum durchprügeln, das eine gute Kanzlei auf mehrere Schultern verteilen muss. Ohne jemandem zu nahe zu treten: Von dem Rechtssekretär einer Gewerkschaft, die Tarifvertrag X abgeschlossen hat, würde ich mich als Arbeitnehmer auch – nur so rein gefühlt – nicht ganz so gerne vertreten lassen, wenn es um eine von der Gewerkschaft nicht gestützte Auslegung des Tarifvertrags geht (kommt häufiger vor als gedacht).

Unter dem Fassboden liegt aber noch eine ertrunkene Ratte:

„…In allen Fällen handelte es sich um die Klagen von Arbeitnehmern, die zuvor von einem großen Elektronikkonzern betriebsbedingt entlassen worden waren. “Weil die Arbeitgeberseite in allen Prozessen von derselben Anwaltskanzlei vertreten wurde, stellten die Prozesse eine hervorragende Datenbasis für eine vergleichende Studie dar”, sagte Neugart der Neuen Westfälischen…“

Was soll ich schlimmer finden, den Frust der Kollegen, die auch mal verloren haben (Jammer!) oder die methodische Jämmerlichkeit eines solchen Ansatzes?

Bleibt nur:

„Die Schlüsse aus der Darmstädter Studie halte er “für sehr gewagt”, meint Heinz-Werner Heege, Direktor des Bielefelder Arbeitsgerichts.“

Da fielen uns auch stärkere Worte ein, aber Recht hat er natürlich.

(*) PS: Sie wollen den authentischen Stoff? Glauben der Presse nicht? Ok, auf eigene Gefahr. Die Studie kann man – sie ist auf Englisch verfasst – am Lehrstuhl von Prof. Berger aus der Publikationsliste abrufen. Sie heißt auch anders: “Labor Courts, Nomination Bias, and Unemployment in Germany”. Und erscheint demnächst im European Journal of Political Economy. Mitautor Berger ist, wie sein Kollege,  ein ernstzunehmender Ökonom und es gilt sicher die Regel, leg Dich nie mit einem Hochschullehrer an, er weiß es sowieso besser. Für bloße Juristen ist der Warnhinweis ernst zu nehmen. Ohne zu viel zu verraten, dürfen wir hier willkürlich von Seite 12 des Manuskripts zitieren (direkter Link hier):

Na, doch nur Jura studiert :-) ? Macht ja nicht!