Kaum haben wir den letzten Beitrag veröffentlicht, legt die “taz” mit einem Interview nach – mit Britta Rehder, die eine Studie verfasst hat, deren Grundthese wohl die Inspiration für den “scharf links”-Artikel war.
Frau Rehder ist Politikwissenschaftlerin. Der Blick auf das Recht von “außen” führt manchmal bekanntlich zu sinnvollen Einsichten. Hier ist dieser Effekt aber zweifelhaft. Das Abzählen der Arbeitsrechtslehrstühle sagt über den Status des Rechtsgebiets nichts aus. Arbeitsrecht ist Teil des bürgerlichen Rechts. Frau Rehder meint nun, das schade dem Gebiet – weil “Privatrechtler” eine andere Sichtweise hätten. Sie wollten die Parteien gleichordnen, statt ihr Ungleichgewicht auszugleichen.
Nach unserer Erfahrung – die von dem meisten Studenten bestätigt werden dürfte – ist das “strukturelle Ungleichgewicht” ein arbeitsrechtliches Dogma. Gestern wie heute. Die Befürchtung von Frau Rehder, die “Privatrechtsordnung” würde ihren gefährlichen Weg auch in die Gerichtssäle finden, kann man in der Praxis kaum nachvollziehen. Unionsrechtliche Eingriffe in das Urlaubsrecht (Urlaub in alle Ewigkeit), Einschränkungen des in der Vergangenheit akzeptierten Vertragsrechts durch die (neue) AGB-Kontrolle (Widerrufsvorbehalte unmöglich machen, Ausschlussfristen kürzen etc.) sind keine Anzeichen für sinkende Arbeitnehmerrechte. Und schon gar nicht bestätigen sie die These, dass früher alles besser war für die Arbeitnehmer. “Früher” gab es höhere Vertragsstrafen, längere oder kürzere Ausschlussfristen und vordefinierte Kündigungsrechte (weiland sogar in der Gewerbeordnung verankert). Gute alte Zeit? Der teilweise absurde, teilweise sektiererisch vorgebrachte Ansatz, Kündigungsschutz sei verfassungsrechtlich sakrosankt, ist auch ein Beispiel, das man vor 1997 nicht gekannt hätte. Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Nein: Arbeitsrecht wird für Arbeitgeber nicht gerade überschaubarer. Aber um das zu erfassen, müsste man Untersuchungen in Betrieben machen, anstatt Arbeitsrechtslehrstühle zu zählen. Kopfnote: 5 Minus.
Immer neue Restriktionen erfordern zwar immer mehr Spezialwissen. Aber eine eigene Dogmatik hat das Arbeitsrecht deshalb nicht. Mehr als die akademische Lehre ist die Praxis gefordert. Dass man außerdem von Frau Rehder vorgehalten bekommt, Arbeitgebervertreter seien per Definition keine “Arbeitsrechtler”, weil ihnen sozusagen das Klassenbewusstsein fehle, müssen wir herzlich lachen, danach aber sogleich in Trauer verfallen.
Manche Studien sind Beschäftigungstherapie.