Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
14.09.2011

Anwälte, Beschäftigungsverbote, Urlaub – im Arbeitsrechtsdschungel

Viele Arbeitnehmer finden den Weg zu uns nicht. Es wird aber jedenfalls aus ideologischen Gründen auch keiner weggeschickt (schrieb nicht einmal sogar der große Kollege J.-H. Bauer aus der schwäbischen Hauptstadt: Anwälte leben nicht davon, Mandate abzulehnen…?). Stimmt schon: Wir vertreten Arbeitgeber, aber das hat nichts mit Ideologie zu tun.

Perspektivenwechsel tut nämlich auch manchmal gut. Und: Auf was so manche Arbeitgeber und ihre Rechtsanwälte kommen, ist schon atemberaubend. Noch atemberaubender ist, wozu man einen Anwalt alles beauftragt.

Die Mandantin ist schwanger und arbeitet in einem Risikoberuf. Ihr wird daher ein ärztliches Beschäftigungsverbot (§ 3 Abs. 1 MuSchG) auferlegt. Mit der fixen Mutterschutzfrist zusammen wird es dieses Jahr nichts mehr mit einer Rückkehr an den Arbeitsplatz. Der besteht in einer recht familiären Kleinpraxis (ja – Heilberuf…). Sie schreibt einen kurzen Brief an die Chefin. Dass sie sich, wenn sie Genaueres weiß, wegen einer eventuellen Elternzeit meldet und, ach ja, sie habe ja noch x Tage Urlaub – was denn daraus werde? Freundliche Grüße, im Übrigen…

So eine Unverschämtheit fordert – natürlich – unweigerlich eine anwaltliche Mandatierung heraus. Der Kollege ist formell vom Fach und schreibt dräuend zurück („Hat uns…mit der Wahrnehmung ihrer Interessen [welcher eigentlich?]…beauftragt. Sie haben an folgenden Daten Urlaub:….“).

Es folgt eine Liste von Zeiträumen, die mal abgemacht waren, aber alle in das Beschäftigungsverbot fallen. Zum Schluss die Belehrung:

„Der Urlaub wird während des Beschäftigungsverbots gewährt und genommen, das hierauf keinen Einfluss hat. Urlaub für 2011 verfällt am 31.12.2011 und ist nicht übertragbar.“

Was soll ich denn jetzt sagen/schreiben?

Erster Einfall wäre ja eine schriftliche Gegenfrage: Macht das nicht auch einen Laien misstrauisch – in Deutschland (ausgerechnet!) soll ein Beschäftigungsverbot für Mütter quasi auf den Urlaub angerechnet werden? Kommt man da nicht ins Grübeln? Aber der Kollege ist ja kein Laie.

Zweiter Einfall: Soll ich eine Kopie von § 17 MuSchG kommentarlos, aber unter Angabe des „gegnerischen“ Aktenzeichens an den Kollegen faxen? Oder wird mir das als unsachlich ausgelegt?

Paralysiert bin ich schon. Bekommt man als Arbeitnehmeranwalt jeden Tag so einen XXX [Zensiert] zu sehen? Dann nur eine Bitte an die Kollegen von der Arbeitnehmerfront: Ich habe mir wieder mal ein Stück Verständnis für Euren Frust über die Arbeitswelt erarbeitet – aber ich schreibe solche Briefe nicht, also lasst die Wut nicht immer an mir aus.

Und was noch? Gesellschaftskritik! Ich bin dafür, Anwälte zu fragen. Aber kann man mit seinen Mitarbeitern nur noch per Anwalt kommunizieren?