…und behandeln die in der zurückliegenden Woche abgesetzte Pressemitteilung des BAG (Urteil vom 16. November 2010 - 9 AZR 573/09) als Sensation. Ist sie das? Ja, eine kleine - der Arbeitnehmer darf demzufolge jederzeit Einsicht in seine Personalakte nehmen, auch, wenn der Arbeitsvertrag längst beendet ist.
Alle Vorinstanzen hatten anders geurteilt. Das LAG München (Urteil vom 14.01.2009 - 11 Sa 460/08) meinte noch, es bedürfe eines berechtigten Interesses an der Akteneinsicht. Dann sei im Rahmen einer Interessenabwägung festzustellen, ob die Einsicht zu gewähren sei. Interessant: “Interessenabwägung” ist ein Lieblingswort der Arbeitsgerichtsbarkeit. Hier gibt es das Interesse des Arbeitnehmers, Akteneinsicht zu nehmen. Was ist das (entgegenstehende) Interesse des Arbeitgebers, sie nicht zu gewähren? Wir wissen es nicht genau. Das LAG München aber auch nicht, denn es sagt nirgends, was da abzuwägen ist. Logisch ist das nicht.
Im Fall war angeblich über den Arbeitnehmer schlecht gesprochen worden. Deshalb wollte er wissen, ob da noch etwas sei - in der Personalakte.
Am offensichtlichsten scheint § 34 BDSG zu passen. Ich gebe zu: Oberflächlich, wie ich bin, hatte ich gedacht, das sei die Lösung, das LAG habe das nur nicht gesehen. Jetzt bin ich eines besseren belehrt - die Vorschrift gewährt zwar ein Auskunftsrecht. Aber sie gilt nicht für alle Daten, sondern nur für gespeicherte Daten. Einsicht in die elektronische Personalakte also ja, in die Papierform nein. Dämliches Ergebnis - hat auch der Gesetzgeber gemerkt und will das BDSG ergänzen. Beim LAG wurde immer nur über den berühmten § 83 BetrVG gesprochen. Warum damit so verschämt umgegangen wird, ist auch nicht recht klar. Das ist doch eine gute Anspruchsgrundlage, sie heißt schließlich:
“(1) Der Arbeitnehmer hat das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen….”
Wo also ist jetzt schon wieder das Problem? Das LAG München meinte, dieses Einsichtsrecht ende mit Ende des Arbeitsvertrags. Warum? Keine Ahnung. Belege führt das LAG nicht an. Eine kurze Durchsicht von Fitting und Löwisch/Kaiser ergibt nicht, dass mal jemand beim BAG gesagt habe, das Einsichtsrecht sei zeitlich begrenzt. Das BAG scheint aber genau davon jetzt auszugehen, sonst sähe die Pressemitteilung anders aus.
Eine andere Frage ist, ob das alles nicht unnötig wie ein Kropf ist. Warum muss man außerhalb des öffentlichen Dienstes seine alte Personalakte sehen? Und wie bitteschön sind die Kosten geregelt? Wer zahlt Kopien, oder sind das keine Elemente der “Einsicht”? Warum das alles? Nur Fragen, keine Antworten. Arbeitsrecht eben.