Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
12.10.2011

Alkoholismus (auf Arbeit) und Alkoholismus (zivil)

Der Jurist ist Didaktiker. Gehört doch zu den ersten praktischen Erfahrungen, dass immer mit zweierlei Maß zu messen ist – wer Sprüche wie „Einheit der Rechtsordnung“ als Anwalt klopft, setzt sich nur dem Verdacht aus, ihm falle nichts mehr ein. Sogar Kirchenglocken läuten manchmal öffentlich (wenn sie zum Gottesdienst bitten – Rechtsweg Verwaltungsrecht) und manchmal zivil (bei der Zeitansage, ab zum Zivilgericht), und diese Liste lässt sich beliebig verlängern, zur Erbauung des Beobachters – jüngst etwa dadurch, dass (wie Kollege Renner berichtet) die Anwalts GmbH & Co. KG verboten ist, weil Rechtsberatung kein Handelsgewerbe sei, während sie bei der Steuerberatung (auch nur Rechtsberatung) vom StBerG ausdrücklich vorgesehen ist (obwohl auch da kein Handelsgewerbe).

Jetzt zum Alk.

Wie Kollege Kaßing im Fokus Familienrecht berichtet, sieht der Bundesgerichtshof (zivil) im Alkoholismus keine Krankheit. Bis zur neuen Entscheidung vom 17.08.2011 – XII ZB 241/11 scheinen Alkoholiker der Kürzung des Unterhaltsanspruch stets entgegengesetzt zu haben, sie litten doch an einer Krankheit, könnten also nichts für ihre Unfähigkeit, für sich selbst zu sorgen. Der BGH geht jetzt wohl – wenn man ihn überspitzt versteht –  von der These „selbst Schuld“ aus: Man wird ja nicht zufällig zum Alkoholiker. Das sei keine psychische Erkrankung.

Das kennen wir anders. Das Bundesarbeitsgericht hält Alkoholismus für eine Erkrankung. Trinkern kann nicht verhaltensbedingt gekündigt werden. Ihnen muss eine Therapiemöglichkeit eingeräumt werden (spätestens seit BAG, Urteil vom 9.4.1987 – 2 AZR 210/86). Sie gelten eben als „krank“. Der Begriff Alkoholerkrankung hat sich auch in den Instanzen eingebürgert (siehe hier die letzte Entscheidung des LAG Köln zum Thema).

Entscheidungen des BGH sind aus gutem Grund nicht divergenzfähig, § 72 ABs. 2 Nr. 2 ArbGG