Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
19.11.2012

Achtung: „Gegen Ihren Erwerber wurde schon mal ermittelt“…

…mit freundlichen Grüßen, Ihre Staatsanwaltschaft als Freund und Helfer!”

Ich persönlich könnte dazu – es ist eines der Themen, die das BAG am 15.11.2012 (6 AZR 339/11) entschieden hat – eigentlich sagen

„Wuhähhh (*)! Sie hat es mit weggenommen!!!“.

Gemeint ist Liz Collet, die bereits alle eigentlich interessanten Fragen zum Fall aufgewirbelt hat (abseits der langweiligen Headline „Bewerber darf lügen“ oder „Bewerber muss nicht immer die Wahrheit sagen…“). Lesen Sie es nach bei Jus@Publicum! An dem Fall ist einiges mehr dran, als Sie vermuten würden…

Was soll ich also noch sagen zu einem Fall, bei dem jemand gekündigt wurde, der auf die Frage „gab es in den letzten drei Jahren Ermittlungen gegen Sie…“ nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Denn es gab sie, nur ohne Ergebnis. Er aber wollte den Job und antwortete frech „nein“. Das war aber gar nicht frech, sondern rechtmäßig; die wegen der Lüge ausgesprochene Kündigung hat der 6. Senat des BAG gesprengt.

Ich sage nur: Ich war dabei – allerdings, um das gleich klarzustellen, zufällig und nur, weil ich nebenan zu tun gehabt hatte. Der Aufwand war nicht groß, denn die Verhandlung hat vielleicht 5 Minuten gedauert. Gesprochen haben die Anwälte je gefühlte 30 Sekunden, außerdem der Vorsitzende Dr. Fischermeier (**). Der hat eine unnachahmliche Art, weil er mit einer eigentlich dröhnenden Stimme durchweg leise spricht. Das gibt mir manchmal zwar ein Gefühl aus Referendarstagen, an das ich nicht gerne erinnert werde, es diszipliniert aber ungemein, weil man sich angewöhnt, lieber keinen Unsinn und keine Nebelkerzen zu schreiben (schickt sich auch sonst nicht, ich weiß). Zum Fall hat er eigentlich nur eine Frage gestellt, fast beiläufig, an das beklagte Land:

„…wir sind uns schon einig, dass das Landesdatenschutzgesetz NRW auch für das Land NRW selbst gilt?…“

Nicken.

„…und dass die Frage nach den Ermittlungsverfahren eine Datenerhebung darstellt?..“

Nicken.

Frostige Stille.

Da war es offensichtlich gelaufen. Na ja, das wissen auch die Richter: Eine gute Verhandlung und eine gute Theatervorstellung haben mehr gemeinsam, als man oft vermutet.

Man erfuhr übrigens noch, dass sich der Kläger nicht bewusst zur Lüge in allen Punkten entschieden hatte: Von einem dieser Verfahren wusste er gar nichts. Das hatte die Staatsanwaltschaft ohne ihn eingestellt. Das kann man übrigens, und das regt Liz Collet so zu Recht auf, alles tabellarisch im Berufungsurteil des LAG Hamm nachlesen (Urteil vom 10.03.2011 – 11 Sa 2266/10); und nein: Ich habe keine Ahnung, wie eine Staatsanwaltschaft dazu kommt, so eine Liste einfach mal rüberzuschicken. Eine Rechtsgrundlage dafür kenne ich jedenfalls nicht. Atemberaubend ist es schon, weil der Arbeitgeber im Hinblick auf ein Ermittlungsverfahren jedenfalls mehr wusste als der Arbeitnehmer selbst.

Fußnoten:

(*) „Wuhähh!“ ist zwar lautmalerisch eindeutig, hat aber einen Urheber/eine Urheberin in der Schriftsprache, der/die nicht verraten wird…

(**) Dr. Ernst Fischermeier hat es (bislang) nicht in die Wikipedia geschafft, anders als seine ebenso bekannten Beisitzerinnen Spelge und Gallner. Das hat keinen Grund außer der unsinnigen Fuzzilogik des Internets: Es hat halt noch keiner einen Artikel über ihn geschrieben. Es gibt keinen Arbeitsrechtler, dem der Name nichts sagt. Das sagt alles über die Wikipedia.