Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
24.10.2012

4,9 Milliarden EUR vom Arbeitnehmer

Das reibt sich der Arbeitgeber doch die Hände? Oder holt schon mal den Tapetenkleister raus: Weil er sich mit dem Urteil nur die Wand tapezieren kann.

Der smarte und sympathische Monsieur Jérôme Kerviel hatte heute seine Rechtsmittelverhandlung. Das ist der Börsenmakler, der für die  Société Générale vor etwa vier Jahren eben diesen Betrag – 4,9 Mrd. EUR – verzockt hatte. Das war so viel, dass es auffiel.

Der Spiegel berichtet, das Berufungsgericht habe ihn zu vollem Schadensersatz verurteilt. In Frankreich wie auch hierzulande ist die Frage interessant, ob der Arbeitgeber vom Hochrisikoverhalten seines Mitarbeiters gewusst hat. Handelte der auf Anweisung – oder mit Duldung – kann man ihn nicht mit einem Schadensersatzanspruch überziehen. Das Berufungsgericht glaubte ihm genau diese Behauptung aber ebenso wenig wie das Ausgangsgericht. Er habe auf eigenen Entschluss gehandelt, so das Gericht. Das Verfahren auf Schadensersatz hing an einem Strafverfahren, mit dem er zu ein paar Jahren Gefängnis verdonnert wurde; es ist also keine lupenreine arbeitsgerichtliche Entscheidung. Der Anwalt Kerviels glaubt indes an eine Verschwörung. Kaum jemand auf der Welt hält es für glaubwürdig, so sieht er es, dass ein kleiner Mann im Büro ohne Wissen des Arbeitgebers so handeln konnte: Gerade, weil der Arbeitgeber damit vor dem „Unfall“ Riesenprofite machte.

Es bleibt nur die Frage, ob es nicht sogar viel schlimmer ist, was das Berufungsgericht festgestellt hat. Dass eben ein unbeaufsichtigter „kleiner Angestellter“ am Computer eine Großbank umwerfen und die Börsen abstürzen lassen kann. Die Vorstellung lässt die Glaspaläste einiger Geldhäuser auf einmal doch noch düsterer aussehen.

Überlegungen, den Schadensersatz auch bei einem „Höchstmaß an Fahrlässigkeit“ (wie bei Molly E.) z.B. auf ein Jahresgehalt beschränken soll (BAG, Urteil vom 28.10.2010 – 8 AZR 418/09), hat man in Frankreich nicht angestellt.

Irgendwie sind die immer noch sauer auf Jérôme.