Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
04.07.2013

300.000 € Schadensersatz für völliges Versagen bei der Jobvermittlung?

Der Staat ist schuld.

Das meinen viele Franzosen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, wenn sie auf die Misere ihres Arbeitsmarkts angesprochen werden. Es gibt Leute, die beschuldigen den Staat, sklerotisch zu sein, an der Deutschen Krankheit der späten 90er zu leiden, nicht reformfreudig genug zu sein. Andere halten den Staat nicht für ausgabefreudig genug (Konjunkturprogramme!), wieder andere beschuldigen ihn, zu verschwenderisch zu sein (Merkel), gestern in den Tagesthemen wiederum beschuldigten einige junge Französinnen ihren Staat, ihnen nicht gesagt zu haben, was man später mit Studiengängen wie „Europastudien“ und Literaturwissenschaften arbeiten soll.

Armer Staat. Nur Beschuldigungen.

Jetzt gibt es über Verbalattacken hinaus aber richtig auf die Mütze:

Beim Pariser Verwaltungsgericht wollen sechs Arbeitslose einen Schadensersatz von der Arbeitsagentur erwirken – je 300.000,00 €! Mit der Begründung, die Agentur mache nicht genug, um sie wieder in Arbeit zu bringen. Weder die französischen (The Local auf Englisch oder Le Figaro auf Französisch) noch die britischen (Daily Mail) Quellen machen klar, worauf diese Berechnung genau basiert. Die Qualifikationen der Kläger reichen vom Zeitungsausträger zum Netzwerkingenieur. In einem Eilverfahren wurde anscheinend bereits festgestellt, dass sich die Arbeitsagentur rechtswidrig verhält, aber, wie es Le Figaro charmant ausdrückt, mit der Krise ist halt auch die Mission der Agentur schwerer geworden. Schau an.

Die Klage wurde am 2.04.2013 eingereicht und beruht auch auf einem Wahlversprechen, das in Frankreich ernster genommen wird als anderswo. Es lautet, wenn Ihr keine Job findet, so wird der Staat Euch einen besorgen. Erstaunlicherweise hat auch die französische Regierung festgestellt, dass das unbezahlbar ist.

Ob man auch in Deutschland der Jobagentur unterstellen könnte, nicht sorgfältig zu handeln und sich so einem Haftungsanspruch auszusetzen, ist eine Debatte, die man ja mal führen könnte…hoffentlich in juristischen Klausuren, nicht vor Gericht.