Gibt es. In Essen und Dortmund. Anwälte – auch gut bezahlte – würden sich bei so einem Stundensatz die Finger lecken.
Das ist nur ein ganz kleines bisschen polemisch. Denn nach den Feststellungen des LAG Düsseldorf (Urteil vom 9.02.2012 – 4 Sa 1025/11) und der zugehörigen Revisionsentscheidung vom 15. Mai 2013 (Urteil vom 15.05.2013 – 10 AZR 325/12) hat die Klägerin im Januar 2011 5,5 Stunden insgesamt gearbeitet und 7.500 EUR Gehalt kassiert. Zu Recht, meinte sie: Man hatte vergessen, in ihrem Arbeitsvertrag anzugeben, wie viele Stunden sie überhaupt für ihre 90.000 EUR brutto im Jahr zu arbeiten habe.
Der – echte, Sie können es nachprüfen – Fall wurde ein solcher, als die Arbeitnehmerin ihr „Recht“ einklagte, sich ihre Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt selbst auszusuchen. Sie maulte auch, dass man ohnehin nicht genug Arbeit für sie habe und es ja nur darauf ankomme, dass sie die anfallenden Aufgaben erledige. Mehr könne man nicht verlangen.
Nur vorweg: Sie hat in allen drei Instanzen verloren.
Die Frage ist nur, warum. Denn klar ist eigentlich: So eine Dreistigkeit kann man nicht mitmachen. Aber wie begründet man das? Es fehlt nun einmal wirklich an jeder Vereinbarung.
Das BAG wählte weitgehend die Lösung der Berufungsinstanz. Die lautet, dass im Zweifel die „betriebsübliche“ Arbeitszeit ausschlaggebend sei. Beim BAG liest man das in der Pressemitteilung so:
Der Arbeitsvertrag der Parteien setzt als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestehen nicht.
Alles in Butter; hier gab es sogar eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit.
Die Dreistigkeit der Klage – und er Arbeitnehmerin, die offenbar kündigungsgeschützt auf hohem Ross die Füße baumeln lässt und dann noch patzig wird – hat mich sogar weniger beschäftigt als die Frage: Wie tragfähig ist eine solche Begründung?
Zu einem Vertrag gehören übereinstimmende Willenserklärungen. Das haben wir mal gelernt. Da ist auch die Rede davon, dass die „essentialia negotii“ – das Wesentliche des Vertrags – zwischen den Parteien abgesprochen sein müssen (wozu beim Arbeitsvertrag wegen der besonderen Rechtsregel in § 612 Abs. 2 BGB das Arbeitsentgelt übrigens überraschenderweise nicht gehört). Sonst kann ein Vertrag nicht zustande kommen. Also: Der Fall eignet sich für das erste Staatsexamen. Denn man grübelt ja: Wenn an die Arbeitszeit – ein „essentialium“, keine Frage – gar kein Gedanke verschwendet wird, kann man dann „auslegen“, dass „betriebsüblich“ gemeint sei? Und wenn – was mache ich, wenn es keine betriebsübliche Arbeitszeit gibt? Eventuell sogar, weil die Klägerin meine einzige Arbeitnehmerin ist (gut, dann werfe ich sie raus).
Aber ist die Auslegung wirklich so eindeutig oder nur ein Notanker?
Das sollen die Studenten in ihren Klausuren und Hausarbeiten mal begutachten.
Ich denke: So ein Fall bleibt ein Einzelfall. Aber das war Haakjöringsköd auch, und er nagt noch nach Jahrzehnten (bald sind es 100 Jahre): Irgendwie hätte es doch seinen Charme gehabt, die Klage mit der Begründung abzuweisen, die Klägerin könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie tatsächlich nie einen wirksamen Arbeitsvertrag geschlossen habe. Würde dem betroffenen Konzern viel Geld einsparen…
Allerdings will ich einschränken: Liest man die Berufungsentscheidung, finden sich im Arbeitsvertrag schon Anhaltspunkte für die Betriebsüblichkeit. Was aber wäre, wenn wirklich jede Vereinbarung fehlt?
Ars gratia artis….