Dabei gab es so viel Berichtenswertes in der letzten Woche. Ganz kurz vor ihrem Ende – dem der Woche – titelt die Rheinische Post Online wie oben, nur ohne den Klammerzusatz. Angeblich hat das Arbeitsgericht Marburg das entschieden.
Sie brauchen die Entscheidung nicht zu lesen, denn das ist offensichtlicher Unfug. So etwas kann das Gericht auch gar nicht entschieden haben, Arbeitsrichter verstehen dazu genug von Arbeitsrecht. Aber es ist Anlass, ein Missverständnis aufzuklären (siehe auch unserer Urlaub FAQ).
Die Klägerin im Fall meinte:
Ich bin an viereinhalb Tagen in der Woche beschäftigt. Alle anderen kriegen 36 Tage Urlaub, nur ich nicht. Mir gibt man nur 27 Tage. Das ist ungerecht und diskriminiert mich.
Nein, natürlich ist das nicht diskriminierend.
Die Idee des Urlaubs ist, dass man einen bestimmte Zeit lang nicht zur Arbeit erscheinen muss.
Nach dem BurlG sind das mindestens vier Wochen im Jahr. Ausgedrückt hat das Gesetz diesen Wert durch einen Anspruch auf 24 Werkstage. Wer schon mal falsch geparkt hat, weil er auf dem Zusatzschild zum Parkverbot „nur an Werktagen“ gelesen hat und erleichtert dachte, es sei ja Samstag, weiß, wovon ich rede. Samstage sind Werktage. Nun rechnen Sie mal – wenn Sie bei einer Sechstagewoche (Arbeit Montag bis Samstag) 24 Werktage zu Hause bleiben, wie lange waren Sie denn dann zu Hause? Genau: 4 Wochen. Stellen Sie sich mal vor, Sie arbeiten nur montags bis donnerstags, also an vier Tagen. Dann reichen Ihnen ja – 16 Tage, und sie sind auch 4 Wochen weg! Die übrigen Tage haben Sie ja sowieso frei. Das BAG gibt dazu sogar eine Formel vor: Wenn man nicht montags bis samstags arbeitet, muss man den Urlaubsanspruch durch 6 teilen und mit der Zahl der Arbeitstage multiplizieren, die man tatsächlich zu leisten hat. Im Beispiel deshalb 24 : 6 x 4 = 16.
Jetzt arbeitet die Dame im Fall aber an „viereinhalb Tagen“, und der Tarifvertrag gibt 36 Arbeitstage Urlaubsanspruch. Wie ist jetzt der halbe Tag zu berücksichtigen? Und da wird’s eng für das Arbeitsgericht Marburg oder die Pressemeldung. Nach obiger Formel sind es 36 : 6 x 4,5 = 27 Tage Urlaub. Aber kann das richtig sein? Wenn man an „viereinhalb Tagen“ arbeitet, dann z.B. am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und eben Freitag. Den Freitag muss ich auch frei haben, wenn ich im Urlaub bin – oder?
Tatsächlich: Dem BurlG ist egal, ob man an halben oder ganzen Tagen arbeitet; es kommt darauf an, an wie vielen Tagen man zur Arbeit kommen muss, nicht, wie viele Stunden Arbeit an dem jeweiligen Tag geleistet werden müssen (schon BAG, Urteil vom 8. 5. 2001 – 9 AZR 240/00). Für vier Wochen Urlaub braucht ein Teilzeitler, der montags bis samstags je eine einzige Stunde arbeitet volle 24 Tage frei, sonst kommt er nicht auf 4 Wochen Arbeitsbefreiung; arbeitet er alle Stunden nur montags ab, reichen ihm 4 Tage für 4 Wochen.
Ahem.
Dann muss man doch den Stab über Marburg brechen. Ehrlich: Wir halten die Entscheidung für falsch. Die „Vollzeitkollegen“ – montags bis samstags – dürfen sechs Wochen in den Urlaub (36 Tage). Wenn unsere Klägerin nur 27 Tage bekommt, dann kann sie bei einer Verteilung auf fünf Tage (dass der fünfte „nur“ ein halber ist, ändert nichts an der Arbeitspflicht, s.o.) dagegen nur 5 Wochen und 2 Tage gehen. Also, das ist – falsch eben. Der Divisor ist nun einmal nicht 4,5 – er ist „5“. 36 : 6 x 5 = 30 Tage Urlaub.
Und wieder der Beweis, dass Urlaubsrecht zu schwer ist, um es zu verstehen. (Dazu: “Urlaub ist Wahnsinn”).
Übrigens: In der Wikipedia gibt es sogar einen Artikel darüber, was unter einer “Zeitungsente” zu verstehen ist…http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitungsente
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