Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
28.05.2013

„Ernsthafter Wille zur Zusammenarbeit“

Es gibt viele Vertragspflichten. Aber gehört der „ernsthafte Wille zur Zusammenarbeit“ wirklich dazu?

Dan Fehlberg hat auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Saarlouis (Urteil vom 28.05.2013 – 1 Ca 375/12) aufmerksam gemacht, einem eher selten zitierten Gericht. Das ist auch besser so, würde man so ungerecht sein, das Gericht nur nach dieser einen Entscheidung zu beurteilen, was natürlich dem seriösen Kommentator fern liegt und dem Glossator unterhalb der Gürtellinie schiene.

Das Arbeitsgericht Saarlouis also, das meint, wenn man in der Probezeit kündige – als Arbeitgeber – dann gehe das nur, wenn man den „ernsthaften Willen zur Zusammenarbeit“ habe. Sei der nicht da, könne man auch nicht kündigen. Klingt irre, ist aber Justiz.

Natürlich ist auch der Fall skurill. Der Arbeitgeber der Klägerin ist offenbar ein fanatischer Raucherhasser. Am ersten Arbeitstag hatte sie trotz Belehrung über das betriebliche Rauchverbot außerbetriebliche eine Zigarette gezogen. Das war der Kündigungsgrund:

Grund hierfür war für die Arbeitgeberin, dass die Klägerin gravierend nach Rauch gerochen habe, nachdem sie noch unmittelbar vor Arbeitsbeginn vor der Tür eine Zigarette geraucht hatte. Darüber hätten sich Kolleginnen und Kunden beschwert.

Alle auch Raucherhasser, die Kundinnnen und Kolleginnen.

Das Arbeitsgericht Saarlouis ist sich sicher, dass man da auch in der Probezeit nicht einfach kündigen darf. Man müsse eben, Sie ahnen es,

ein bereits begründetes Arbeitsverhältnis mit dem ernsthaften Willen der Zusammenarbeit [führen]

Dagegen habe der Arbeitgeber verstoßen. Wer nach zwei Stunden Rauchergestank meint, die Dame sei doch nichts, liegt, so die Richter, also verkehrt, weil es ihm an Ernsthaftigkeit mangelt. Wie bitte?

Da ringt der Autor nach Worten. In der Probezeit gibt es keinen Kündigungsschutz. Noch einmal kündigen kann der Arbeitgeber nur mit Schwierigkeiten – er würde sich immer dem Vorwurf aussetzen, es handle sich um eine sog. Trotzkündigung (BAG, 26.08.1993 – 2 AZR 159/93). Die Richter haben dem Arbeitgeber also ein richtiges Ei gelegt.

Und warum?

Das kann man einfach nicht erklären. Der Wille, den Vertrag durchzuführen, ist wohl am Ende, wenn ich ihn kündigen will, den Arbeitsvertrag. Das ergibt sich sozusagen aus der Natur der Sache. Weil es offenbar an sinnvollen Begründungen fehlte, hat das Urteil gleich erst einmal Artkel 12 GG aus der Trickkiste geholt. Klar, wenn mein Arbeitgeber unernst ist, verstößt er gegen meine Grundrechte. Ein Musterbeispiel einer unvertretbaren, ausschließlich am gewünschten Ergebnis orientierten Begründung.

Bedenkt man mal, dass ein extrem schwerer Arbeitsunfall in der Probezeit (vier Finger abschneiden, hier bei Liz Collet…) auch nicht reicht, um einen Kündigungsschutz auszulösen, weil die Kündigung immer noch nicht sitten- weil nicht grundrechtswidrig ist, dann sollte man in Saarlouis mal sein Wertesystem rekalibrieren. Kann nicht schaden.

Die Pressemitteilung aus Saarlouis endet dann auch mit dem denkwürdigen Satz

Gegen das Urteil ist eine Berufung beim LArbG Saarbrücken möglich

Ja, bitte.