Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
23.06.2011

„Deutsch lernen!“ (weiterhin) ≠ Diskriminierung

Das BAG hat gestern endgültig über den (bereits besprochenen) Fall aus Schleswig-Holstein entschieden, in dem eine Kassenkraft auch nach 14 Jahren erhebliche Verständigungsschwierigkeiten außerhalb ihrer Muttersprache (Kroatisch) hatte. Der Arbeitgeber hatte schließlich abgemahnt, weil sie keinen Deutschkurs machen wollte – schon gar nicht auf eigene Kosten.

Sie sah darin eine Diskriminierung wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit und wollte 15.000 EUR Schadensersatz, § 15 AGG. Vergeblich, wie in den Vorinstanzen.

Das BAG begründet das damit, dass jede Art von Sprachkenntnis verlangt werden kann, wenn sie jobrelevant ist – auch deutsche Sprachkenntnisse sind da gerade kein Sonderfall. Es muss nur deutlich werden, dass es sich um eine notwendige und keine schikanöse Anforderung handelt. Dass man sich mit den Kunden überhaupt verständigen kann, ist wahrlich keine schikanöse Anforderung.

Selbstverständlich? Nein. Denn solche knappen Aussagen geben leicht Anlass zu Missverständnissen. Hier wollte der Arbeitgeber wirklich nur operative Sprachkenntnisse. In einem anderen Fall hielt das Arbeitsgericht Berlin die Anforderung an „akzentfreies“ Deutsch bei einer Pförtnerin für diskriminierend – ohne Akzent müsse man am Empfang nicht sprechen können. Das beißt sich gerade nicht mit der neuen BAG-Entscheidung, sondern liegt exakt auf ihrer Linie. Es muss die Substanz der Tätigkeit bewertet werden. Daran gemessen, ist ein Akzent, der ja auch ganz charmant sein kann, nicht zu beanstanden. Es gibt Anwaltskollegen, die einen haben, deshalb aber ihren Job trotzdem hervorragend machen (warum auch nicht?). Auf den ersten Blick hätte man sicher eingewandt, gerade ein Anwalt müsse aber…nein. Muss er/sie nicht. Sonst müssten sich die ganzen deutschen Kollegen mit grauenhaftem Akzent (wenn sie Englisch reden nämlich) schleichen, die aus reinem Prestige den „Solicitor (England and Wales)” oder den beliebteren „Attorney-At-Law (New York)“ hinter ihre Namen hängen. Nach denen, die in diesen Berufen überhaupt arbeiten können, muss man mit der Lupe suchen…

Weblinks:

Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 22. Juni 2011 – 8 AZR 48/10: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2011&nr=15262&pos=1&anz=52

Unser alter Beitrag zu den Deutschkenntnissen: http://www.reuter-arbeitsrecht.de/grundsatzliches/mangelhaftes-deutsch-diskriminiert-kundigung-wegen-mangelnder-deutschkenntnisse.html

Kollege Bodem im Ecovis-Blog (war wieder mal schneller…): http://www.rechtsanwalt-arbeitsrecht-berlin.com/2011/06/23/bag-die-aufforderung-durch-den-arbeitgeber-an-einem-deutschkurs-teilzunehmen-um-arbeitsnotwendige-sprachkenntnisse-zu-erwerben-stellt-als-solche-keinen-verstos-gegen-das-allgemeine-gleichbehandlun/