Stephen Hester hat etwas getan, was die meisten von uns sich nicht leisten können und praktisch niemand, der einem so in den Sinn kommt aus Hesters Branche (Banken), ernsthaft in Erwägung gezogen hat. Er hat eine Million (Pfund Sterling) abgelehnt.
Stephen Hester ist Chef der Royal Bank of Scotland (RBS). Das ist eine interessante Bank. Sie ist ziemlich alt (1727 gegründet) und war schon immer ein Politikum. Der Zusatz „Royal“ klingt edel. Er hat einen unedlen Hintergrund. Er hebt den Namen nämlich bewusst von einer noch älteren Bank, der Bank of Scotland (gegründet schon 1695), auch BOS, ab, die eine der ältesten überhaupt noch existierenden Banken ist. Sie hatte sehr erfolgreich Investment für die Jakobitische Revolte in Schottland im frühen 18. Jahrhundert aufgetrieben. Man erinnert sich: Die Jakobiter waren die Unterstützer des vertriebenen schottischen Königshauses der Stewards (nach Jacob = James Steward oder auch, in der französischen Schreibweise, Stuart). Sie wollten – bekanntlich erfolglos (Stichwort Bonnie Prince Charlie) – die Hannoveraner Dynastie aus Edinburgh und London vertreiben. Die gaben erst mit dem Tod von Queen Victoria auf, allerdings wird Großbritannien jetzt vom Haus Sachsen-Coburg regiert…aber das ist ein anderes Thema. Hannover (Hanover) baute die RBS mit dem Zusatz „Royal“ auf, um die Bank of Scotland planmäßig in den Bankrott zu treiben, indem alle Schuldscheine aufgekauft wurden und der BOS an einem einzigen Termin zur Zahlung vorgelegt wurde. Hat nicht ganz geklappt, aber mit Finanzmärkten als Waffe kannte man sich in Edinburgh wie in London schon vor ca. 300 Jahren aus.
Stephen Hester sollte nun einen Bonus bekommen, der annähernd 1 Mio. Pfund betrug. Bescheiden, wenn man bedenkt, was vor der Finanzkrise bezahlt wurde. Und er hat einen vertraglichen Anspruch darauf. Und er – hat abgelehnt. Nicht aus Gutmenschentum, sicher, aber er sagt, er wolle das Geld nicht.
Grund ist eher der öffentliche Aufschrei beim Stichwort „Bonus“. Wenn Sie dachten, dieser Aufschrei sei in Deutschland laut, müssten Sie mal die Briten schreien hören. Dort gibt es ja wenigstens einen Finanzsektor, der den Namen verdient. RBS aber gehört (wieder) dem Staat, der sie mal gegründet hat, denn die einst allmächtige Bank musste 2008 mit Staatsknete gerettet werden. Als der Bonus ruchbar wurde, spuckte die Öffentlichkeit Blut und hatte Schaum vor dem Mund…jetzt verzichtet man.
Merkwürdig aber die in der City favorisierte Analyse dazu: Schlechtes Timing. Robert Peston schreibt für die BBC, dass man bei RBS bereuen dürfte, den Bonus so früh angekündigt zu haben. Die anderen staatlichen Banken (steht für zwangsverstaatlicht als Folge der Rettung von 2008), allen voran Barclays, sind nämlich erst noch dran mit der Ankündigung ihrer Boni – alle Beobachter erwarten, dass Hesters Bonus daneben bescheiden ausgesehen hätte. Pech.
Das zeugt nicht unbedingt von ausgeprägter Lernfähigkeit. Vor annähernd vier Jahren wurde das Vergütungssystem der Bankhäuser und Finanzinstitutionen als eine der Hauptursachen für die Weltkrise ausgemacht.
Die meisten Menschen bekommen ein fixes Gehalt. In Finanzkreisen ist das schon gut genug, aber der Bonus ist das eigentlich Interessante. Hester sollte ihn bekommen, weil – so der oberste Chef der Bank – er die Bank „gestärkt“ habe. Wenn mehr nicht einfällt, gibt es mehr auch wohl nicht zu sagen. Das soll heißen, der „Bonus“ ist selbstverständlich und bedarf keiner Begründung.
Während aber sich alle darüber aufregen, ist untergegangen, dass die Kritik gar nicht auf die Bosse zielte, so sehr man deren Bezahlung auch als Sittenverstoß empfinden mag. Es geht ums Arbeitsrecht. Jahrelang haben die Banken den Weg von der Festvergütung hin zu Provision beschritten. Das geht weder ohne vertragliche Verrenkungen noch ohne Protest. Das Ergebnis war, dass dubiose Finanz-„produkte“ auf Teufel komm raus vertrieben wurden, bis sie die Welt, die wir kennen, zum Einsturz gebracht hatten (fast jedenfalls).
Daran hat sich bis heute nichts geändert, nirgends. Auch der scheinbare Verzicht auf 1 Mio. £ eines Bosses ändert daran nichts. „Der bekommt doch eine Provision“ ist ein Satz, der überall Misstrauen erregt, egal, ob er den Taxifahrer betrifft, der das angebliche beste Restaurant Neapels empfiehlt oder den Autoverkäufer, der das Vorjahresmodell anpreist. Nur bei Bankmitarbeitern gibt dieser Vorbehalt nicht, dabei haben die nicht nur eine Kundenverantwortung: Ihre Vergütungssysteme sind mitentscheidend für das Wohlergehen ganzer Länder. Und da sollte eben gelten: Festgehalt vor „Bonus“ und Provision. Provisionen gehören zu Strukkis, die ja keinen guten Ruf haben. Während bei Hester das Gefühl seines Aufsichtsrats ausreichend ist, dass er es gut gemacht habe, ist beim Mitarbeiter ausschlaggebend, wie viel er dem Kunden verkauft hat – nicht was und nicht, ob die Produkte einen Sinn haben.
Alles Binsenweisheiten, die niemanden zu Konsequenzen veranlasst haben. Man möchte eine Kampagne gründen: „Ban the Bonus!“.
Vermutlich ist es dafür zu spät.