Viele neue 1a-Mandate? Ja, auch - schön wäre es natürlich - hier soll es aber um die Gewohnheit gehen, am Jahresende einen Rückblick auf das alte Jahr zu verfassen oder einen Ausblick auf das nächste Jahr zu bieten. Während ich den arbeitsrechtlichen Jahresrückblick auf 2010 der ZEIT sehr gelungen finde (man kann ihn hier in ZEIT Online nachlesen), stelle ich fest, dass die Ausblicke des geschätzten Beck-Blogs (Ausblick I gibt es hier, den unvermeidlichen Ausblick II dann hier) auf 2011 meinen Geschmacksnerv nicht ganz treffen. Vielleicht, weil ich “Diskriminierung durch Statistik” zu Unrecht für ausgelutscht halte und “Moslem will keine Getränkeregale mit Alk auffüllen” aus lauter Bildungsmangel und politischer Unkorrektheit schlicht für affig halte. Interessant sind beide Fälle - ok. Aber wir haben hier eine eigene - alternative - Agenda, anhand der bislang ansehbaren Terminvorschau des BAG:
Ausblick 1: In der Daumenschraube des Betriebsrats:
11.1.2011 (Bundesarbeitsgericht - 1 ABR 104/09): Der BR zwingt dem Arbeitgeber eine (sauteure) Einigungsstelle auf. Die macht auch einen ESt.-Spruch: Zum Regelungsgegenstand “”Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes”. Das Ganze ohne, dass es zuvor die Gefährdungsbeurteilung gegeben habe, die das Gesetz vorschreibt: Eine Betriebsvereinbarung also, die gar nicht weiß, worüber sie redet. Wer es nicht weiß: Arbeitsschutz ist wichtig, aber auch als Folterinstrument. Damit kriegt man jeden Arbeitgeber, auch den besten, an den Pranger. Vieles ist hier ziemlich unklar. Von der Entscheidung ist eigentlich eine Menge zur Systematisierung der Mitbestimmungsrechte zu erwarten: Arbeitsgericht fand die BV gut, das LAG nicht. Kontrovers also und trotz des drögen Themas voller Zündstoff.
Ausblick 2: Wie wichtig sind Horn und Waldhorn im Orchester?
27.1.2011 (Bundesarbeitsgericht - 2 AZR 9/10 - an dem Tag darf ich auch antreten, aber in einem anderen Fall). Ein Orchester wird verkleinert, der Hornist betriebsbedingt gefeuert. Er argumentiert ganz logisch: Bei gewöhnlichem Repertoire sei er auch in kleinerer Besetzung nicht verzichtbar. Stimmt. Ein Fall eher für Nerds, aber die unternehmerische Entscheidung will ich gerne mal hören.
Ausblick 3: Wann merkt einer, dass die Bundesregierung im Baugewerbe Nebelkerzen wirft?
23.3.2011 (Bundesarbeitsgericht - 4 AZR 445/09). Eigentlich will hier nur ein nicht tarifgebundener Mitarbeiter eine Fahrkostenerstattung. Sie ergibt sich aus dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV), der allgemeinverbindlich ist. Wie die SOKA-Tarifverträge. Dumm: Es gibt nachhaltige Zweifel daran, dass die Bundesregierun auch nur nachgeschaut hat, ob die nach dem Gesetz vorausgesetzte Mindestanzahl tarifgebundener Branchenarbeitnehmer (§ 5 TVG) überhaupt vorliegt. Die Beklagte argumentiert wieder einmal, die AVE sei unwirksam. Ob sie gut gerüstet ist? Pro: Ihr Prozessvertreter ist ein Arbeitgeberverband, der selbst vor dem VG Berlin gegen die AVE klagt. Er muss es wissen. Contra: Die Vorinstanzen haben stattgegeben, also waren die Zahlen vielleicht besser als ihr Ruf. Pro: Wenn nicht, ist man beim 4. Senat und der ist unverdächtig, einem Baukartell anzugehören.
Ausblick 4: Was wird nun aus den verurteilten, äh, Volkswäglern…?
24.3.2011 (Bundesarbeitsgericht - 2 AZR 790/09). Die Ortsangaben verraten es scheinbar. Da wird ein Mitarbeiter eines großen Automobilkonzerns in der Nähe von Braunschweig zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt (warum wohl, erinnern Sie sich? Nein, es scheint um einen einfachen Häftling zu gehen, keinen der Großen aus dem VW-Konzern, die so viele brasilianische Mädels hatten…). Er fliegt. Und meint: Zu Unrecht, denn man kann seine Haftzeit von mehr als 4 Jahren gut überbrücken. Keine betriebliche Störung! Das ist immer wieder Thema, jetzt endlich mal ein Fall, der kein Grenzfall ist. Wir sind gespannt - es steht 1:1, Arbeitsgericht: Klage abgewiesen, LAG: stattgegeben.