Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat heute die Entscheidungen hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter als Treuhänder öffentlich bekannt gemacht. Als kurzes Fazit lässt sich festhalten: Gesellschafter einer GmbH ist nur derjenige, der in der Gesellschafterliste aufgeführt ist. Nur diesem stehen die Rechte eines Gesellschafters zu. Ein schuldrechtlicher Treuhandvertrag ändert daran nichts.
1. Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter als Treuhänder (G. SW ./. DRV)
In diesem Fall ging es um die Sozialversicherungspflicht einer geschäftsführenden Gesellschafterin (Klägerin), die mit 3 Treugebern einen notariellen Treuhandvertrag abgeschlossen hatte, wonach sie 90 % der Geschäftsanteile zu gleichen Teilen treuhänderisch für diese hält. Die ins Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste wies sie als Inhaberin aller Geschäftsanteile an der GmbH (Alleingesellschafter) aus.
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG BW (L 11 R 590/17) und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung erfolgreich gewesen (1. Instanz SG Stuttgart, S 2 R 2399/13).
Bei einem Geschäftsführer einer GmbH ist eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn er aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital oder einer umfassenden Sperrminorität die Rechtsmacht besitzt, maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse auszuüben.
Die Klägerin hat ihre bestehende Rechtsmacht nicht durch einen Treuhandvertrag eingebüßt. Als Treuhänderin war die Klägerin weiterhin Inhaberin aller mit ihrem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten. Auch dem Weisungsrecht der Treugeber kommt nur eine schuldrechtliche und keine unmittelbar gesellschaftsrechtliche Wirkung zu. Ein Abstimmungsverhalten der Alleingesellschafterin entgegen den Weisungen der Treugeber führt grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit gefasster Beschlüsse.
Als Inhaber eines Geschäftsanteils gilt nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt auch bei Veränderungen. Den Zeitpunkt dieser Aufnahme hat das LSG festzustellen.
BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 5/18 R
2. Sozialversicherungspflicht geschäftsführender Gesellschafter als Treuhänder mit Kaufoption der Treugeber (I. W. GmbH ./. DRV Bund)
In diesem Rechtsstreit ging es um die Sozialversicherungspflicht eines geschäftsführenden Gesellschafters als Treuhänder, der gemäß der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste Inhaber von 90 % der Geschäftsanteile ist (Kläger). Am Tag der GmbH-Gründung hatte der Kläger mit 2 weiteren Personen einen notariell beurkundeten Treuhandvertrag geschlossen, wonach er für diese treuhänderisch einen Geschäftsanteil i.H.v. 60 % und einen weiteren i.H.v. 20 % hält. Außerdem wurde darin geregelt, dass er die treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile aufschiebend bedingt auf die vollständige Zahlung des Kaufpreises und die Beendigung des Treuhandvertrages an die Treugeber abtritt (Kaufoption).
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat die Revisionen gegen das Urteil des LSG NRW vom 24.04.2019 (L 8 BA 31/18) zurückgewiesen (BSG, Urteil vom 12.05.2020 (B 12 R 11/19 R).
Der Kläger besaß als Geschäftsführer mit einem Anteil am Stammkapital i.H.v. 90 % eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit jederzeit zu verhindern. Der ihm zukommende beherrschende Einfluss auf die Gesellschaft wurde ihm durch den notariellen Treuhandvertrag nicht genommen. Zu einer Abtretung der Geschäftsanteile an die Treugeber im Falle der Beendigung des Treuhandvertrags (und vollständigen Zahlung des Kaufpreises) ist es nicht gekommen.
BSG, Urteil vom 12.05.2020, B 12 R 11/19 R
3. Sozialversicherungspflicht einer geschäftsführenden Gesellschafterin als Treuhänderin mit Anteilsmehrheit (I.S. ./. DRV Hessen)
In diesem Rechtsstreit geht es um eine geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH, an deren Stammkapital sie laut Gesellschafterliste mit einem Anteil von 70 % beteiligt war. Hiervon hielt sie einen Geschäftsanteil i.H.v. 30 % treuhänderisch für ihren Ehemann. Mit Wirkung ab 19.1.2012 wurde der Ehemann der Klägerin als neuer Geschäftsführer ins Handelsregister eingetragen. Die Klägerin wurde als Geschäftsführerin zum 18.01.2012 abberufen und arbeitete bis zum 31.12.2008 als Sachbearbeiterin für die GmbH (mitarbeitender Gesellschafter).
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Hessen vom 16.05.2019 (L 8 KR 303/17) ist überwiegend erfolgreich. Die Klägerin war zwar nicht als Geschäftsführerin der GmbH vom 2.11.2011 bis zum 18.1.2012 abhängig beschäftigt, aber als Sachbearbeiterin vom 19.1.2012 bis zum 31.12.2012.
Als geschäftsführende Gesellschafterin der GmbH mit einem Anteil am Stammkapital i.H.v. 70 % verfügte die Klägerin über die ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausschließende Rechtsmacht. Dem stand der Treuhandvertrag mit dem Ehemann nicht entgegen.
Als Sachbearbeiterin (mitarbeitende Gesellschafterin) war sie trotz ihrer Gesellschafterstellung nicht in der Lage, Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall zu verhindern. Ein Gesellschafter, der in der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist (mitarbeitender Gesellschafter), besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben.
BSG , Urteil vom 12.05.2020, B 12 KR 30/19 R
Dieses Urteil verdient darüber hinaus nähere Aufmerksamkeit, da es auch zur Sozialversicherungspflicht angestellter Gesellschafter der GmbH in ihrer Stellung als mitarbeitende Gesellschafter Stellung nimmt. Hierzu folgt ein gesonderte Betrachtung in einem eigenen Beitrag.
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