Rechtsanwalt Udo Schwerd

Udo Schwerd
81379, München
Rechtsgebiete
Steuerrecht Handelsrecht und Gesellschaftsrecht Erbrecht
10.08.2020

Neue Grundsätze des BFH zu Gesellschafterdarlehen im Steuerrecht

Mit dem Urteil vom 11.07.2017 beendete der BFH eine langjährige Rechtsprechung zur Behandlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen und vergleichbarer Finanzierungshilfen im Steuerrecht. Bis dahin führten Verluste hierraus regelmäßig zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung an einer GmbH. Der BFH wies in der Entscheidung darauf hin, dass mit dem Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2008 die rechtliche Grundlage für diese Rechtsprechung weggefallen ist. Für Aufwendungen aus Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen hat der BFH neue Grundsätze zur steuerlichen Behandlung entwickelt, die aus Gründen des Vertrauensschutzes ab dem 28.09.2017 anzuwenden sind.

Inhalt:

  1. Die GmbH-Reform 2008
  2. Das Urteil des BFH vom 11.07.2017
  3. Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Finanzierungshilfen im Steuerrecht nach dem Urteil des BFH vom 11.07.2017
  4. Vertrauensschutz bei Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen bis 28.09.2017

1. Die GmbH-Reform 2008

Am 01.11.2008 ist das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft getreten. Mit einer umfassenden Reform des GmbH-Rechts verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Rechtsform der GmbH sowohl für Existenzgründer als auch für den Mittelstand attraktiver zu gestalten. Ein zentraler Punkt war die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) als Rechtsformalternative zur GmbH für Existenzgründer mit wenig Kapitalbedarf. Darüber hinaus sollte die Gründung einer GmbH beschleunigt und die Mißbrauchsgefahren beseitigt werden.

Mit dem Inkrafttreten des MoMiG hat der Gesetzgeber auch das gesamte Eigenkapitalersatzrecht (§§ 30 ff. GmbHG) erheblich vereinfacht. Die gesetzlichen Regelungen zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen(§§ 32a, 32b GmbHG) wurden neu geordnet. Die Regeln der Rechtsprechung zu § 30 GmbHG gelten seitdem nicht mehr. Damit ist die Unterscheidung zwischen normalen und „kapitalersetzenden“ Gesellschafterdarlehen entfallen.

2. Das Urteil des BFH vom 11.07.2017

In den Leitsätzen zum Urteil des BFH vom 11.07.2017 (IX R 36/15) werden folgende Grundsätze hevorgehoben:
  1. Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen der Gesellschafter aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.
  2. Aufwendungen der Gesellschafter aus der Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft führen nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung.
  3. Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.

In den Entscheidungsgründen stellt der BFH fest:

  • Durch das MoMiG ist das Eigenkapitalersatzrecht aufgehoben und durch den gesetzlichen Nachrang sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall ersetzt worden. Gleichzeitig endete die weitgehende Gleichbehandlung der eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen mit dem nach §§ 30, 31 GmbHG gebundenen Kapital (vgl. Art. 9 MoMiG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).
  • Forderungen aus Gesellschafterdarlehen oder vergleichbare Finanzierungshilfen der Gesellschafter erfahren eine Sonderbehandlung im Insolvenz- und Anfechtungsrecht (vgl. § 135 Abs. 1 InsO). Sie sind aber nicht mehr gesellschaftsrechtlich verstrickt und werden außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht mehr wie haftendes Eigenkapital behandelt.

3. Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Finanzierungshilfen im Steuerrecht nach dem Urteil des BFH vom 11.07.2017

Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die Grundlage für die bisherige BFH-Rechtsprechung weggefallen. Der BFH sah sich daher veranlasst, neue Grundsätze für Gesellschafterdarlehen und vergleichbare Finanzierungshilfen im Steuerrecht zu entwickeln.

„Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts gibt es keine Rechtsgrundlage mehr, im Privatvermögen gehaltene Forderungen aus Gesellschafterdarlehen oder vergleichbare Finanzierungshilfen dem Anwendungsbereich des § 17 EStG zuzuordnen.“

Neue Grundsätze für Gesellschafterdarlehen und Finanzierungshilfen im Steuerrecht

  1. Zu den Anschaffungskosten einer GmbH-Beteiligung gehören gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB zunächst die Aufwendungen, die zum Erwerb des Vermögensgegenstands geleistet werden und diesem einzeln zugeordnet werden können. Ebenso gehören solche Aufwendungen dazu, die den Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand versetzen sollen. Ergänzend hierzu gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).
  2. Den nachträglichen Anschaffungskosten einer GmbH-Beteiligung können danach grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2016 X R 33/13, BFH/NV 2016, 1002, Rz 46).

Nachträgliche Anschaffungskosten für GmbH-Beteiligung

Zu den nachträglichen Anschaffungskosten für eine GmbH-Beteiligung gehören insbesondere

Der Ausfall eines vormals „krisenbedingten“, „krisenbestimmten“ oder „in der Krise stehen gelassenen“ Gesellschafterdarlehens oder vergleichbare Finanzierungshilfen führen hingegen grundsätzlich nicht mehr zu Anschaffungskosten der Beteiligung.

Etwas anderes kann sich ergeben, wenn das gewährte Gesellschafterdarlehen oder vergleichbare Fremdkapitalhilfen aufgrund der vertraglichen Abrede mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann der Fall sein bei einem Gesellschafterdarlehen in Verbindung mit der Vereinbarung eines Rangrücktritts i. S.d. § 5 Abs. 2a EStG, wenn die Rückzahlung im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 30. November 2011 I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332). In einem solchen Fall käme dem Darlehen auch bilanzsteuerrechtlich die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zu (BFH-Urteile vom 15. April 2015 I R 44/14, BFHE 249, 493, BStBl II 2015, 769, und vom 10. August 2016 I R 25/15, BFH/NV 2017, 155).

4. Vertrauensschutz bei Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen bis 28.09.2017

Die neuen Grundsätze des BFH zur Behandlung der Gesellschafterdarlehen und Finanzierungshilfen im Steuerrecht gelten aus Gründen des Vertrauensschutzes erst ab dem Tag der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 11.07.2017. Die Veröffentlichung erfolgte am 28.9.2017. Bis dahin geleistete eigenkapitalersetzende oder eigenkapitalersetzend gewordene Gesellschafterdarlehen oder vergleichbare Finanzierungshilfen sind nach den bisherigen Grundsätzen zu beurteilen.

Für den Vertrauensschutz ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Gesellschafter die endgültige wirtschaftliche Disposition getroffen hat. Dies ist entweder der Zeitpunkt der Hingabe einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe oder das Stehenlassen einer Finanzierungshilfe bei Eintritt der Krise. Liegt der jeweils maßgebliche Stichtag nach dem Tag der Veröffentlichung dieses Urteils, ist der Fall nach Maßgabe der nunmehr geltenden Grundsätze zu beurteilen.


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