Rechtsanwalt Udo Schwerd

Udo Schwerd
81379, München
Rechtsgebiete
Steuerrecht Handelsrecht und Gesellschaftsrecht Erbrecht
23.04.2022

LG Braunschweig zur Steuerberaterhaftung wegen Beitragsnachforderungen

Mit Urteil vom 16.11.2021 hat das LG Braunschweig eine Steuerberaterhaftung wegen Beitragsnachforderungen verneint, dass für ein Steuerberater auch im Rahmen der laufenden Lohnbuchhaltung keine vertragliche Verpflichtung besteht, die GmbH zur Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer zu beraten. Auch die Verletzung einer Hinweispflicht der Steuerberaterin auf eine Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Jahre 2012 hat das LG Braunschweig ausdrücklich verneint.

Steuerberaterhaftung wegen Beitragsnachforderungen aufgrund Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer

Seitdem die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfungen bei Kapitalgesellschaften schwerpunktmäßig auch den sozialversicherungsrechtlichen Status beschäftigter Geschäftsführer in der GmbH überprüft, haben die Beitragsnachforderungen deutlich zugenommen. Häufig geht es hier um vier- bis fünfstellige Beträge, die sich aus der nachträglichen Feststellung der Sozialversicherungspflicht der beschäftigten Geschäftsführer ergeben. Betroffen sind meist Gesellschaften mit mehreren Gesellschaftern und/oder Familiengesellschaften, in denen verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Geschäfsführer und Gesellschaftern bestehen. Die Geschäftsführer der Gesellschaften sind der Auffassung, dass eine Haftung des Steuerberaters für den eingetretenen Schaden zu bejahen wäre, insbesondere wenn der Steuerberater im Rahmen der Lohnbuchhaltung auch mit sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten der GmbH betreut gewesen ist.

Steuerberaterin haftet nicht für Beitragsnachforderungen wegen Feststellung der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers

Mit Urteil vom 16.11.2021 (5 O 2603/20) hat das LG Braunschweig einen solchen Rechtsstreit einer GmbH mit ihrem Steuerberater wegen Beitragsnachforderungen aufgrund der Sozialversicherungspficht des Geschäftsführers zugunsten der beklagten Steuerberaterin entschieden.

Zum Sachverhalt des Rechtsstreits

Wie in vielen anderen Fällen handelte es sich um eine GmbH mit mehr als zwei Gesellschaftern, von denen ein Gesellschafter auch als Geschäftsführer bestellt wurde. Im vorliegenden Fall wurde die GmbH im Jahre 1994 von drei Gesellschaftern gegründet, die jeweils zu einem Drittel an der GmbH beteiligt waren. Für Gesellschafterbeschlüsse war im Gesellschaftsvertrag die einfache Mehrheit vorgesehen.

Das Mandatsverhältnis der beklagten Steuerberaterin umfasste neben der Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen seit 2004 auch die Lohnbuchhaltung für alle Mitarbeiter der GmbH. Den GmbH-Geschäftsführer rechnete die Steuerberaterin – ungeachtet der Änderung der Rechtsprechung des BSG im Jahre 2012 – weiterhin als sozialversicherungsfrei ab.

Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der GmbH führte die Deutsche Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren durch, das am 21.12.2017 mit der Feststellung der vollen Versicherungs- und Beitragspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeschlossen wurde. Die Einzugsstelle erhob daraufhin Nachforderungen in Höhe von rund 65.000 Euro (zzgl. rund 2.000 Euro Zinsen und rund 5.000 Euro Beitragsnachforderungen der Berufsgenossenschaft). Das Widerspruchsverfahren der GmbH gegen den Statusfeststellungsbescheid blieb erfolglos.

Begründung für die Abweisung der Schadensersatzklage wegen Steuerberaterhaftung

Laut dem Urteil des LG Braunschweig stehen der GmbH keine Schadensersatzansprüche gegen die Steuerberaterin wegen der nachträglichen Feststellung der Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers zu. Die beklagte Steuerberaterin ist für den eingetretenen Schaden nicht verantwortlich, da dieser nicht durch eine Pflichtverletzung verursacht wurde.

Die Beklagte war nicht grundsätzlich verpflichtet, die Klägerin im Hinblick auf die mit Urteilen des BSG vom 29.08.2012 (B 12 KR 25/10 R) geänderte Rechtsprechung hinzuweisen und entsprechend zu beraten. Dies war nicht Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatervertrages.

Ist ein Steuerberater – auch – mit der Lohnbuchhaltung beauftragt, besteht für ihn gleichwohl keine vertragliche Verpflichtung zur Prüfung sozialrechtlicher Sachverhalte (OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2018, 1-16 U 162/17; OLG Celle, Urteil vom 13.10.1999, 3 U 326/98; offener: BGH, Urteil vom 12.02.2004, IX ZR 246/02; a.A.: OLG Brandenburg, Urteil vom 07.11.2006, 6 U 23/06; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.11.2018, 17 U 20/18). Die übernommene Lohnbuchhaltung beinhaltet zwar nicht nur die steuerliche Lohnabrechnung und die Führung des Lohnkontos, sondern daneben auch die Berechnung der Sozialversicherungsabzüge. Allerdings verpflichtet ein Lohnbuchhaltungsmandat nicht zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen, da ein Steuerberater nicht rechtsberatend tätig sein darf (so OLG Celle a.a.O.). Eine derartige sozialrechtliche Beratung wäre auch nicht als zulässige Nebenleistung gem. § 5 RDG erlaubt (BSG, Urteil vom 5.03.2014, B 12 R 7/12 R).

LG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2021 (5 O 2603/20)

Keine Verletzung der Hinweispflicht

Auch die Verletzung einer Hinweispflicht der Steuerberaterin hat das LG Braunschweig ausdrücklich verneint.

Die Beklagte wäre zwar verpflichtet gewesen, Unklarheiten durch eigene Rückfragen auszuräumen oder deswegen ebenso wie für die Klärung sozialversicherungsrechtlicher Zweifel auf die Einschaltung eines hierfür fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken (BGH, Urteil vom 23.09.2004, IX ZR 148/03). Aber auch gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte nicht verstoßen. Es kann nicht festgestellt
werden, dass ihr Unklarheiten aufgefallen sind, auf deren Klärung sie nicht hingewirkt hat.

In diesem Zusammenhang ist der Beklagten auch nicht vorzuwerfen, dass ihr nach dem Vortrag der Klägerin die geänderte Rechtsprechung des BSG und die damit verbundenen Unklarheiten im Hinblick auf die Klägerin nicht von selbst frühzeitig aufgefallen sind. Die Beklagte war nur verpflichtet, die einschlägige Rechtsprechung des BFH zu kennen, nicht aber die einschlägige Rechtsprechung des BSG (OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2018, 1-16 U 162/17; a.A.: OLG Brandenburg, Urteil vom 07.11.2006, 6 U 23/06).

Überdies ist es nachvollziehbar, dass die Beklagte keine Kenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Kriterien hatte. Derartiges wäre allenfalls bei einem auf Sozialrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu erwarten, nicht aber bei einem Steuerberater. Eine fundierte Beratung dazu konnte und durfte die Beklagte nicht erbringen. Schon deswegen durfte die Klägerin mehr als einen bloßen Hinweis auf die Rechtsprechungsänderung nicht erwarten. Aber selbst dazu wäre sie nicht verpflichtet gewesen.

LG Braunschweig, Urteil vom 16.11.2021 (5 O 2603/20)

Wie man anhand der zitierten Entscheidungen erkennen kann, ist die Thematik der Steuerberaterhaftung im Zusammenhang mit Beitragsnachforderungen aufgrund der nachträglichen Feststellung der Sozialversicherungspflicht nach wie vor umstritten. Allerdings hat das LG Braunschweig weder Urteil des OLG Dresden vom 09.05.2018 (Az. 13 U 1538/17) noch auf das Urteil des BGH vom 06.06.2019 (IX ZR 115/18) hingewiesen, die ich hier kommentiert habe.


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