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30.08.2010
Netzneutralität als Zielbestimmung einer Internetregulierung (Teil 2)
Freiheit ist immer auch die Freiheit des Wolfes, das Schaf zu fressen. Dies verbietet es, die Freiheit zu einem absoluten Prinzip zu machen, da ein Übermaß an Freiheit immer die Tendenz hat, sich selbst zu beseitigen. Das zeigt sich auf strafrechtlicher Ebene gleichermaßen wie auf immaterialgüterrechtlicher Ebene. Ein Gesellschaft in der Waffenbesitz erlaubt ist, mag insoweit ein „Weniger“ an gesetzlicher Regulierung haben. Aber das macht die Gesellschaft nicht zu einer freieren Gesellschaft. Eine Rechtsordnung, die auf ein Urheberrecht verzichtet und jedem eine schrankenlose „Nachahmungsfreiheit“ gewährt, mag nach einer gewissen Anschauung „freiheitlicher“ sein, aber wenn der Markt versagt, weil niemand mehr aus ökonomischen Gründen Kulturgüter produziert, nützt diese zusätzliche Freiheit nichts mehr und führt dazu, dass ich weniger Kulturgüter konsumieren kann und insoweit „unfreier“ bin.
So ist es auch bei der Netzneutralität. Die Verpflichtung von Netzbetreibern „alle Daten gleich zu behandeln“ - wie es mit einem eigenartigen Pathos heißt - ist eine Form der Regulierung mit freiheitserhaltender Zielsetzung. Und dieses Ziel ist richtig und wichtig. Erfreulich ist, dass dies von der Politik bereits als notwendig und richtig erkannt ist. Dies mag daran liegen, dass die relevanten Fragestellungen schon von anderen Netzen, nämlich Straßen- Schienen- und Stromnetzen bekannt sind: Ein Netzbetreiber ist kein normaler Marktteilnehmer, wenn die Funktionsfähigkeit des Netzes ein grundlegender Baustein unserer Wirtschaftsordnung ist. Weil das Netz für alle wichtig ist, sollen Netzbetreiber nicht wie die Raubritter an zentralen Infrastrukturknoten stehen und dort ihre unkontrollierte Willkür walten lassen. Vielmehr sollen sie erstens alle passieren lassen und zweitens alle denselben Preis zahlen lassen. Was aber genau „derselbe Preis“ ist, darüber wird man streiten können. Auch auf deutschen Autobahnen zahlen LKW – und PKW zahlen nichts. Diese „Ungleichbehandlung“ ist aber durch den Unterschied in der Straßenbelastung gerechtfertigt und wäre es auch dann, wenn deutsche Autobahnen privat betrieben würden. Netzneutralität ist eine Zielbestimmung, die permanent überprüft und konkretisiert werden muss.