Ein Arbeitgeber darf im Rahmen von Kündigungen bei einer vorzunehmenden Sozialauswahl die Kindesunterhaltsverpflichtungen eines Beschäftigten wegen vermuteter Großelternzahlungen nicht unberücksichtigt lassen. Dies gelte umso mehr, wenn der Arbeitnehmer zuvor für seine minderjährigen Kinder Elternzeit in Anspruch genommen hat und damit seine Unterhaltspflichten auf der Hand liegen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 29.01.2015 (AZ: 5 Sa 390/14).
Im konkreten Fall hielten die Mainzer Richter die ordentliche Kündigung eines Montageschlossers wegen einer fehlerhaft durchgeführten Sozialauswahl für unwirksam. Der Arbeitgeber, ein Kranhersteller mit 1.800 Beschäftigten, musste wegen Auftragsrückgängen Personal abbauen. Zusammen mit dem Betriebsrat vereinbarte das Unternehmen einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.
Danach sollten bis zu 120 Vollzeitstellen wegfallen, 65 davon waren Montageschlosser. Wer gekündigt werden sollte, richtete sich nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung, nach Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehepartner oder Kindern. Der Arbeitgeber bildete im Bereich Montageschlosser vier Altersgruppen und vergab entsprechend den Sozialplan-Kriterien Punkte.
Der Kläger, ein Vater von zwei kleinen Kindern, erhielt insgesamt 84 Punkte – und damit die Kündigung. Der Arbeitgeber hatte nur ein Kind bei der Sozialauswahl berücksichtigt, da auf der Lohnsteuerkarte nur ein Kinderfreibetrag von 0,5 eingetragen war. Mit zwei Kindern wäre der Vater auf 94 Punkte gekommen. Ab dieser Punktzahl hätte er seinen Job behalten.
Dabei habe der Arbeitgeber doch von seinen beiden Kindern gewusst, so der Kläger. Denn er sei wegen beider Kinder in Elternzeit gegangen. Die Kündigung sei daher unwirksam.
Das Unternehmen bestritt zwar nicht, dass der Kläger Vater von zwei Kindern sei. Die bloße Mitteilung über eine Vaterschaft reiche im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung aber nicht aus. Eine Berücksichtigung beider Kinder bei der Sozialauswahl sei nur bei deren Unterhaltsbedürftigkeit möglich.
Ob solche eine Bedürftigkeit vorliege, sei aber gar nicht ausgeführt worden. Es sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus auch möglich, dass die Großeltern für ihre Enkelkinder Zuwendungen leisteten. Dann könne eine Bedürftigkeit und damit eine Unterhaltsverpflichtung nicht mehr vorliegen. Maßgeblich sei letztlich, was auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sei.
Das LAG folgte dem nicht und erklärte die Kündigung für unwirksam. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft gewesen. Der Arbeitgeber habe nicht die Unterhaltspflichten gegenüber beiden Kindern berücksichtigt. „Die für die Sozialauswahl maßgeblichen familienrechtlichen Unterhaltspflichten lassen sich der Lohnsteuerkarte nicht zuverlässig entnehmen“, stellte das LAG klar. Hier habe der Arbeitgeber wegen der Beantragung von zwei Elternzeiten auch Kenntnis von beiden Kindern gehabt.
Der Kläger habe außerdem neben seiner Vaterschaft nicht zusätzlich seine familienrechtlichen Unterhaltspflichten nachweisen müssen. Angesichts des Alters der Kinder von acht und fünf Jahren lägen diese „auf der Hand“. Die Unterhaltspflicht des Vaters lasse sich auch nicht mit der Erwägung verneinen, dass die Großeltern womöglich den Kindern Zuwendungen gewähren.
Mit der Berücksichtigung von Unterhaltspflichten für zwei Kinder hätte der Kläger 94 Punkte erreicht, was genau für den Erhalt des Arbeitsverhältnisses ausreichen würde.
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