Eigentlich müssen Arbeitnehmer ihr Arbeitszeugnis abholen. Doch ein frankierter Rückumschlag kann aus dieser „Holschuld“ eine „Bringschuld“ machen, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in Berlin in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 12.12.2014 entschied (AZ: 16 Ta 1771/14).
Im konkreten Fall hatten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Streit um die Kündigung auf einen Vergleich geeinigt. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis zu erteilen.
Der Arbeitnehmer verlangte, dass ihm das Zeugnis zugeschickt wird. Schließlich wohne er nicht am Firmensitz in Berlin, sondern in Frankfurt an der Oder. Seiner früheren Firma schickte er einen adressierten und frankierten Rückumschlag. Dennoch dachte der Arbeitgeber zunächst nicht daran, dem geschassten Mitarbeiter diesen Wunsch zu erfüllen. Das Zeugnis, so beharrte er, liege zur Abholung bereit. Erst als der Arbeitnehmer bei Gericht ein Zwangsgeld beantragt hatte, gab der frühere Arbeitgeber das Zeugnis in die Post.
Laut Gesetz muss der Arbeitgeber auf Wunsch ein Zeugnis ausstellen, es handelt sich aber um eine „Holschuld“, der Arbeitnehmer muss es also abholen. Schon 1995 hatte allerdings das Bundesarbeitsgericht (BAG), damals noch in Kassel, entschieden, dass der Arbeitgeber das Zeugnis trotzdem zuschicken muss, wenn der frühere Mitarbeiter inzwischen weit weg wohnt (Urteil vom 08.03.1995, AZ: 5 AZR 848/93).
In dem neuen Fall haben beide Seiten den Hauptstreit für erledigt erklärt, weil das Zeugnis ja inzwischen doch zugeschickt worden war. Vor dem LAG stritten sie nur noch um die „Gesamtkostenlast von 258,89 €“ für das gerichtliche Zwangsgeldverfahren.
Und die muss der Arbeitgeber tragen, entschied das LAG. Zwar sei der Zeugnisanspruch grundsätzlich eine sogenannte Holschuld. Nach dem BAG-Urteil von 1995 könne im Einzelfall aber Anderes gelten. Hier sei die Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt an der Oder von rund 100 Kilometern zwar nicht so weit, dass die Abholung des Zeugnisses unzumutbar erscheine.
„Da jedoch der Gläubiger den Schuldner um eine Übersendung des Zeugnisses gebeten hat und diesem auch einen frankierten Briefumschlag dafür zur Verfügung gestellt hat, war die Schuldnerin vorliegend gehalten, dem Gläubiger das Zeugnis zuzusenden“, heißt es in dem Berliner Beschluss. Gründe, dem nicht zu entsprechen, seien „nicht ersichtlich“ und vom Arbeitgeber auch nicht dargetan. Zwar bestehe das Risiko, dass das Zeugnis auf dem Postweg verloren gehe. Dies stehe der Zusendung aber nicht entgegen.
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