Ironische Aufkleber, vermeintliches Auslachen, das „Duzen“ eines Kollegen oder Aktenordner im Büro auf den Tisch knallen, das sind noch keine Gründe für eine Abmahnung. Eine Abmahnung muss verhältnismäßig sein, und der betroffene Arbeitnehmer muss auch zuvor angehört werden, stellte das Arbeitsgericht Paderborn in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil vom 09.06.2016 klar (AZ: 2 Ca 457/15).
Geklagt hatte eine 61-jährige, bei einem katholischen Arbeitgeber beschäftigte Sachbearbeiterin. Die Frau hatte bereits in der Vergangenheit Ärger mit ihrem Chef. Eine Kündigung wurde schließlich per gerichtlichen Vergleich wieder zurückgenommen.
Doch im Laufe des Jahres 2015 gingen die Streitigkeiten weiter. Sie erhielt insgesamt vier Abmahnungen. Mit den ersten zwei Abmahnungen wurde gerügt, dass die 61-Jährige eine Kollegin gegen ihren Willen wiederholt geduzt und sie als „Schätzchen“ und „krank“ bezeichnet hat. Eine weitere Abmahnung folgte, weil sie einen Aktenordner mit Schwung auf den Schreibtisch ihrer Kollegin legte und andere Ordner dabei wegdrückte. Anschließend soll sie ihre Kollegin „lauthals ausgelacht“ haben.
Auch mehrere, auf einem Pappkarton vor dem PC-Bildschirm platzierte Aufkleber der 61-Jährigen fanden vor dem Arbeitgeber keine Gnade. So wurde auf einem Aufkleber der frühere US-Präsident Dwight D. Eisenhower mit den Worten zitiert: „Die Suche nach Sündenböcken ist von allen Jagdarten die einfachste und bequemste“. Ein weiterer Aufkleber wies darauf hin: „Man ist immer wieder erstaunt, wie viel Narren den Kopf drehen, um das zu lesen …“
Der Arbeitgeber begründete die Abmahnungen mit der Störung des Betriebsfriedens und einem damit einhergehenden arbeitsvertragswidrigen Verhalten. Die Sachbearbeiterin habe mehrfach ein beleidigendes, provokantes und aggressives Verhalten gegenüber ihrer Kollegin an den Tag gelegt. Eine „sachliche und konfliktfreie Bürokommunikation“ sei nicht mehr möglich gewesen.
Doch das Arbeitsgericht verpflichtete den Arbeitgeber, sämtliche Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen. Eine Abmahnung wegen des „Duzens“ eines Kollegen sei „offensichtlich unverhältnismäßig“. Außerdem hätten die in diesem Zusammenhang erteilten Abmahnungen formelle Fehler aufgewiesen. Denn vor einer Abmahnung müsse der Arbeitnehmer erst einmal angehört werden. Dies sehe auch die Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) der katholischen Kirche so vor.
Dass die Klägerin „mit einer gewissen Kraftentfaltung“ einen Aktenordner auf den Schreibtisch ihrer Kollegin beförderte, sei ebenfalls noch kein schwerwiegendes Fehlverhalten, das eine Abmahnung rechtfertige. Ähnliches gelte zum Auslachen. Nicht jedes Lachen in einem Betrieb, welches von einem anderen Arbeitnehmer als Auslachen empfunden wird, stelle per se einen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß dar. Hier seien Art und Umfang des Lachens auch nicht in der Abmahnung konkretisiert worden, so das Arbeitsgericht.
Die Klägerin habe auch nicht gegen ihre Pflichten verstoßen, indem sie Lebensweisheiten und Zitate auf einem in ihrem Eigentum befindlichen Pappkarton klebte und diesen aufstellte. Solche Sprüche könnten eher zum „Schmunzeln“ und damit „zu einer aufgeheiterten Stimmung“ im Betrieb anregen.
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