Auch im Kleinbetrieb dürfen Arbeitgeber keine altersdiskriminierenden Kündigungen aussprechen. Kann der Arbeitgeber die Entlassung nicht sachgerecht begründen und so die zu vermutende Diskriminierung widerlegen, ist die Kündigung unwirksam, urteilte am Donnerstag, 23.07.2015, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt im Fall einer Arztpraxis (AZ: 6 AZR 457/14).
Geklagt hatte eine Arzthelferin einer Gemeinschaftspraxis in Sachsen. Sie war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt worden. Im Mai 2013 kündigten die Ärzte der damals 63-jährigen Helferin zum 31.12.2013. Wegen Veränderungen im Laborbereich seien Umstrukturierungen erforderlich, und die Helferin sei ja „inzwischen pensionsberechtigt“, hieß es in dem Kündigungsschreiben. Die jüngeren Kolleginnen konnten dagegen alle ihre Stellen behalten.
Mit ihrer Klage machte die heute 65-jährige Arzthelferin eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters geltend. Die Kündigung sei daher unwirksam, zudem stehe ihr eine Diskriminierungsentschädigung zu.
Die Gemeinschaftspraxis dagegen verwies auf einen damals erwarteten Einbruch der abrechenbaren Laborleistungen um 70 bis 80 Prozent. Der alten Helferin sei gekündigt worden, weil sie im Vergleich zu ihren jüngeren Kolleginnen deutlich schlechter qualifiziert gewesen sei. Auf den Rentenanspruch sei nur verwiesen worden, damit das Kündigungsschreiben freundlich und verbindlich klinge.
Dem BAG reichte dies nicht aus. Die Kündigung verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und sei daher unwirksam. Auch wenn das AGG im Fall von Kündigungen auf „die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ verweise, greife das Diskriminierungsverbot auch im Kleinbetrieb, urteilten die Erfurter Richter. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nur für Betriebe mit über zehn Beschäftigten.
Im Streitfall lege die Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ im Kündigungsschreiben eine Altersdiskriminierung nahe. Die Gemeinschaftspraxis habe aber „keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die (…) zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt“.
In der Vorinstanz hatte das Sächsische Landesarbeitsgericht in Chemnitz eine unzulässige Diskriminierung noch verneint. Nach dem Erfurter Urteil muss es nun nachträglich prüfen, ob und in welcher Höhe ein Entschädigungsanspruch besteht.
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