Arbeitgeber dürfen einen Beschäftigten nicht ohne weiteres zu einem 660 Kilometer entfernten Arbeitsort versetzen. Sie müssen vielmehr auch die familiären Lebensverhältnisse berücksichtigen und andere, alleinstehende Arbeitnehmer ebenfalls im Blick haben, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem am Dienstag, 15.09.2015, bekanntgegebenen Urteil (AZ: 3 Sa 157/15). Auch wenn der jeweilige Arbeitsvertrag ein Versetzungsrecht beinhaltet, gilt dies nicht pauschal deutschlandweit, so die Kieler Richter.
Damit bekam ein auf Baustellen eingesetzter Isolierer recht. Der angestellte Kläger, Vater von drei schulpflichtigen Kindern, arbeitet seit acht Jahren in einem Dienstleistungsunternehmen und war seit 2009 auf einer Dauerbaustelle in Brunsbüttel eingesetzt. Laut Arbeitsvertrag darf er auch auf Baustellen eingesetzt werden, die er von seiner Wohnung aus nicht jeden Tag erreichen kann.
Wegen Streitigkeiten mit dem Vorabeiter erhielt er im Herbst 2014 die fristlose Kündigung. Vor dem Arbeitsgericht gewann der Beschäftigte jedoch den Kündigungsschutzprozess.
Daraufhin wurde er von seinem Arbeitgeber an eine andere Baustelle versetzt – ins 660 Kilometer entfernte Ludwigshafen. Der Kläger hielt die Vorgehensweise seines Chefs für willkürlich und familienfeindlich. Er könne dort auch kinderlose und ungebundene Kollegen einsetzen, meinte der Kläger.
Der Arbeitgeber widersprach. Laut Arbeitsvertrag dürfe er die Arbeitsstätten ohne Begründung zuweisen. Dass der Kläger familiär gebunden sei, sei seine Privatsache.
Hier spielte das LAG jedoch nicht mit. Auch wenn ein Arbeitgeber einseitig den Arbeitsort festlegen darf, müsse er dies nach „billigem Ermessen“ tun. Alle wechselseitigen Umstände und Interessen müssten dabei abgewogen werden. Dazu zählten auch die sozialen Lebensverhältnisse des Klägers.
Der Arbeitgeber habe Rücksicht auf dessen familiäre Belange zu nehmen, soweit dem nicht betriebliche Gründe oder Belange anderer Kollegen entgegenstehen, so die Kieler Richter in ihrem Urteil vom 26.08.2015. Bestünden bei der Versetzung Auswahlmöglichkeiten, müsse der Arbeitgeber denjenigen Beschäftigten nehmen, der weniger schutzwürdig ist.
Dies alles habe der Arbeitgeber nicht geprüft, so dass die Anweisung, in Ludwigshafen zu arbeiten, unwirksam sei.
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