Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten und überqualifizierten Stellenbewerber nicht zum Bewerbungsgespräch ein, muss dies noch keine Diskriminierung sein. Denn werden generell Bewerber, die zu gut für den Job sind, allein aus personalpolitischen Gründen nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, stellt dies keine unzulässige Benachteiligung Behinderter dar, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch, 18.05.2016, veröffentlichten Urteil (AZ: 8 AZR 194/14).
Im konkreten Fall hatte ein Schwerbehinderter sich beim saarländischen Umweltministerium im August 2010 auf eine Sachbearbeiter-Stelle im gehobenen Dienst beworben. Der Mann war jedoch mit seinem Hochschulabschluss als Diplom-Kaufmann und weiteren Zusatzausbildungen für die Stelle überqualifiziert.
Das Land schickte ihm die Stellen-Absage, ohne ihn vorher zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu haben.
Der Schwerbehinderte sah sich daraufhin wegen seiner Behinderung diskriminiert. Als öffentlicher Arbeitgeber müsse das Land nach den gesetzlichen Bestimmungen geeignete schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch bitten. Ein weiteres Indiz für die Diskriminierung sei die unterbliebene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Das Land müsse ihm daher eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern zahlen, insgesamt 9.459,00 €.
Dies lehnte das Land ab. Es bestritt, dass die Absage wegen der Behinderung erfolgte. Zum einen sei der Bewerber „überqualifiziert“ und gelte damit als nicht geeignet. Überqualifizierte Bewerber würden – unabhängig ob behindert oder nicht – allein aus personalpolitischen Gründen nicht eingestellt. Von den 72 Stellenbewerbern seien alle 15 Personen mit Hochschulabschluss nicht im Auswahlverfahren berücksichtigt worden.
Es drohe sonst die Gefahr, dass die Bewerber in ihrem Job nicht ausgelastet werden. Dies hätte Frustrationen zufolge. Auch werde befürchtet, dass es zu „Rangordnungskämpfen“ zwischen dem überqualifizierten „neuen“ und den anderen Beschäftigten komme.
Man habe sich zudem mit der Schwerbehindertenvertretung geeinigt, dass diese nur über Bewerber informiert werden müsse, die in die engere Auswahl kommen.
In seinem Urteil vom 20.01.2016 lehnte das BAG den Anspruch auf eine Diskriminierungsentschädigung ab. Grundsätzlich seien öffentliche Arbeitgeber zwar gesetzlich verpflichtet, schwerbehinderte geeignete Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Der Kläger gelte auch mit seiner Überqualifikation als fachlich geeignet. Denn er könne die ihm gestellten Aufgaben bewältigen.
Das Land sei zudem verpflichtet, immer die Schwerbehindertenvertretung einzuschalten. Eine Vereinbarung, die dies nur für Bewerber in der engeren Auswahl vorsieht, sei unzulässig.
Die unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch und die fehlende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung stellten auch Indizien für eine Diskriminierung dar. Diese habe das Land aber plausibel widerlegt. Weder sei der Kläger wegen seiner Behinderung noch wegen seiner fachlichen Eignung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.
Vielmehr sei der Schwerbehinderte allein aus personalpolitischen Gründen nicht berücksichtigt worden. Mit der unterbliebenen Berücksichtigung von überqualifizierten Bewerbern sollten die Mitarbeiterzufriedenheit der Beschäftigten gestärkt und drohende „Rangordnungskämpfe“ zwischen den einzelnen Mitarbeitern vermieden werden. Das Land wolle zudem Bewerber so auswählen, dass sie sich innerhalb einer Laufbahn fortentwickeln können und nicht von vornherein einen Aufstieg in die höhere, ihrer Qualifikation entsprechende Laufbahn anstreben.
Das Land habe zudem dargelegt, dass andere, weniger qualifizierte schwerbehinderte Bewerber durchaus an Vorstellungsgesprächen teilgenommen haben. Dies alles zeige, dass eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung nicht vorlag. Ein Entschädigungsanspruch bestehe daher nicht.
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