Ein Vergewaltiger aus dem Landkreis Emsland muss es nach damals noch unklarer Rechtslage hinnehmen, dass er mit Hilfe eines Massengentests indirekt durch die Identifizierung zweier Verwandter entdeckt wurde. Der DNA-Massentest mit den dabei erzielten „Beinahetreffern“ durfte als Beweismittel verwendet werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 13.05.2015 gefällten Beschluss (AZ: 2 BvR 616/13), auf den das Landgericht Osnabrück am Freitag, 12.06.2015, hingewiesen hat. Danach verstieß im konkreten Fall die Verwendung der Verwandten-DNA nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren oder gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Im konkreten Fall hatte im Juli 2010 ein damals 16-jähriger Jugendlicher aus Dörpen im Landkreis Emsland eine 27-jährige Frau überfallen, sie mit Faustschlägen am Kopf verletzt und vergewaltigt. Nach seiner Tat fuhr er mit seinem Fahrrad davon. Über den Fall wurde bundesweit berichtet.
Auf den Kleidungsstücken des Opfers fand die Polizei später zahlreiche DNA-Spuren. Um dem Täter auf die Spur zu kommen, wurde zu einem freiwilligen Massen-Gentest aufgerufen. Rund 2.400 Männer nahmen daran teil, der Jugendliche allerdings nicht.
Die Polizei konnte mit dem Gentest jedoch zwei „Beinahetreffer“ verbuchen. Die DNA-Proben stammten danach von Verwandten des Täters. Der Jugendliche wurde daraufhin per Gerichtsbeschluss zu einem DNA-Test gezwungen. Danach stammten die DNA-Spuren auf den Kleidungsstücken des Opfers mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 1,3 Trillionen (eine Eins mit 18 Nullen) von dem Jugendlichen.
Das Landgericht Osnabrück verurteilte den Jugendlichen zu einer fünfjährigen Haftstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung.
Doch dagegen legte der Jugendliche Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Die Gen-Proben seiner Verwandten hätten nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht gegen ihn als Beweismittel verwendet werden dürfen.
Am 20.12.2012 urteilte der BGH: Werden in einem Gentest lediglich Verwandte des mutmaßlichen Täters identifiziert, dürfen die Testergebnisse zwar grundsätzlich nicht als Beweismittel verwertet werden und zu weiteren Ermittlungen führen (AZ: 3 StR 117/12). Hier bestehe jedoch eine Ausnahme.
Zwar sei das DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten rechtswidrig erlangt worden. Doch damals sei die Rechtslage über die Verwendung der Daten eines Massengentests rechtlich noch unklar gewesen. Den Behörden sei keine „willkürliche Missachtung des Gesetzes“ vorzuwerfen, so der BGH. Die Haftstrafe sei daher rechtmäßig.
Dagegen legten der Angeklagte sowie die zwei per Massengentest identifizierten Verwandten Verfassungsbeschwerde ein. Ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit das Recht auf Verwendung ihrer Gen-Daten sei verletzt worden.
Doch die Karlsruher Richter nahmen die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die BGH-Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Weder sei gegen das Recht auf ein faires Verfahren noch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen worden. Damit ist die Verurteilung zu einer fünfjährigen Haftstrafe rechtskräftig.
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