Warum die Beauftragung eines auf dem Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalts nach einem Verkehrsunfall erforderlich ist, zeigt folgender Fall:
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall beauftragte der Geschädigte unsere Kanzlei mit der Abwicklung der Schadenspositionen. Noch vor Beauftragung unserer Kanzlei setzte sich jedoch die Haftpflichtversicherung mit dem Geschädigten in Verbindung und bot freundlich aber bestimmt die Abwicklung im Rahmen des aktiven Schadensmanagement an. Der Geschädigte war erfreut, dass sich die gegnerische Haftpflichtversicherung um alles kümmern und ihm die Arbeit abnehmen wollte.
Die Haftpflichtversicherung beauftragte unverzüglich einen eigenen Sachverständigen zur Begutachtung des Fahrzeugschadens. Der Sachverständige ermittelte einen Totalschaden.
Den Wiederbeschaffungswert bezifferte der Sachverständige mit 4.950, €. Es lag ein Restwertgebot in Höhe von 2.377,00 € vor.
Die Reparaturkosten bezifferte der Sachverständige mit 5.195,00 €. Da die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert überstiegen, lag lt. Gutachten ein Totalschaden vor. Der Geschädigte beabsichtigte jedoch sein Fahrzeug in Eigenregie zu reparieren und weiter zu nutzen. Die Haftpflichtversicherung regulierte dennoch zunächst auf Totalschadenbasis (Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) einen Betrag in Höhe von 2.573,00 € und wartete auf die Vorlage einer Werkstattrechnung.
Da hier jedoch laut Gutachten ein Totalschaden vorlag, hätte die beabsichtigte Teil- bzw. Eigenreparatur nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden dürfen. Der BGH setzt in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009, VI ZR 119/09 folgendes in diesem Fall voraus:
Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs kann nur dann verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat.
Dies ist selbstverständlich bei einer Reparatur in Eigenregie schwer zu realisieren und erst recht schwer nachzuweisen. Nach erfolgter Reparatur bestand die Versicherung weiterhin darauf, den Schaden auf Totalschadenbasis abzurechnen und zahlte keinen weiteren Ersatz. Der von der Versicherung beauftragte Gutachter stellte nämlich fest, dass die Reparatur gerade nicht in dem Umfang durchgeführt wurde, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hatte. So wurden hier unter anderem verschiedene Beschädigungen nicht repariert, diverse Ersatzteile wurden durch gebrauchte Ersatzteile ausgetauscht.
Was Geschädigte häufig nicht wissen, ist, dass der Wiederbeschaffungswert durchaus unterschiedlich bewertet werden kann. So hat der Sachverständige bei der Bewertung des Wiederbeschaffungswerts einen gewissen Spielraum. Dieser wurde hier zu Gunsten der Versicherung nach unten ausgenutzt.
Nachdem der Geschädigte das Gutachten der Versicherung der Kanzlei vorgelegt hatte, wurde unverzüglich der Wiederbeschaffungswert zur Überprüfung an einen freien Sachverständigen übergeben. Aufgrund dieser knappen Kalkulation lag auf der Hand, dass hier „künstlich“ ein Totalschaden konstruiert werden sollte.
Der von der Kanzlei eingeschaltete Sachverständige bewertete den Wiederbeschaffungswert aufgrund des Fahrzeugzustands mit 5.450,00 € und damit deutlich über den kalkulierten Reparaturkosten. Damit lag ein so genannter „Unter-Hundert-Fall“ vor.
Aufgrund dieser neuen Fakten (Wiederbeschaffungswert über Reparaturkosten), die schließlich von der Versicherung auch akzeptiert wurden, konnte der Geschädigte sein Fahrzeug teilweise reparieren, wobei die Qualität keine Rolle spielte und erhielt von der Haftpflichtversicherung die Reparaturkosten bis zum Wiederbeschaffungswert.
Ohne die Überprüfung des Versicherungsgutachtens hätte der Geschädigte in diesem konkreten Fall lediglich den Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert erhalten. Dem Geschädigten wäre hier ein Schaden in Höhe von rund 2.400,00 € (rund 50 %)entstanden.
Insoweit wird nochmals deutlich klargestellt, dass das aktive Schadensmanagement der Haftpflichtversicherungen ausschließlich den eigenen Interessen dient. Auch wenn es auf den ersten Blick für Geschädigte sehr bequem ist, die Abwicklung der Versicherung zu überlassen, sollten diese im eigenen Interesse hiervon Abstand nehmen.
Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall werden u.a. die Kosten des eigenen Sachverständigen und des Rechtsanwalts von der gegnerischen Haftpflichtversicherung übernommen, so dass der Geschädigte kein Kostenrisiko eingeht. Bei Einschaltung eines auf dem Verkehrsrecht spezialisiertem Rechtsanwalt kann der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall sicher sein, dass seine Rechte in vollem Umfang durchgesetzt werden.
Über den Autor: Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Vertrauensanwalt des Volkswagen – Audi Händlerverbandes für Verkehrsrecht e.V. und Mitglied der ARGE Verkehrsrecht in Berlin. Rechtsanwalt Thomas Brunow hilft Geschädigten nach Verkehrsunfällen und Betroffenen nach Verkehrsverstößen schnell und unbürokratisch.
mehr Infos: www.verkehrsrecht-24.de
Rechtsanwalt Thomas Brunow ist Partner der Kanzlei Prof. Dr. Streich & Partner Berlin