A. Falllösung - So ein Durcheinander
Albrecht zerschlägt mit einem Vorschlaghammer die antike Vase seiner Frau Frida. Als der Polizist Carl ihn eine Woche später deswegen festnehmen will, schießt Albrecht Carl mit seiner Pistole ins Bein. Der Steckschuss kann Carl nicht stoppen und Carl nimmt Albrecht fest. Dann gesteht Albecht, dass er 2 Tage vor der Festnahme noch Berta erwürgt hat, weil er sie bei einem Streit töten wollte.
Nehmen Sie gutachterlich zur Strafbarkeit des Albrecht Stellung. (Hinweis: Hier geht es nicht um die Rechtsprobleme der Auslegung, sondern um die Prüfungsreihenfolge. Überlegt, wie Ihr an den Fall taktisch herangeht und fertigt eine entsprechende Liste nur in Stichpunkten an.)
B. Leseaufgaben
1. Methodik
Zippelius, Juristische Methodenlehre, §§ 12-13, 16 und 18.
Bitte arbeitet § 16 im Zippelius noch einmal intensiv durch. Denkt auch über das dort angesprochene "Waldbeispiel" nach, wir besprechen einen ähnlichen Fall in der nächsten Stunde. Geht auch noch zu § 10 am Ende zurück und lest: Punkt VI. Beziehungen zwischen den Auslegungsarten.
Wenn Ihr dem Ratschlag des Blogs gefolgt seid, habt ihr jetzt fast den gesamten Zippelius durchgelesen. § 11 habe ich bewusst ausgelassen. Warum?
Ergänzung und Berichtigung von Gesetzen sind - so wie dort vorgeführt - nur im Zivilrecht zulässig (Die Frage "warum das so ist", könnte Ihr inzwischen im Schlaf mit Art. 103 II GG beantworten, genaue Antworten findet Ihr in meinem Buch "Auslegungsmethodik im Strafrecht"). Zippelius Buch ist nicht speziel strafrechtlich, sondern bietet einen Grundlage für alle Rechtsgebiete. § 11 darum bloß mit dem zivilrechtlichen Auge lesen!
2. Haareabschneiden (bloße Substanzbeeinträchtigungen)
Zur Nachbereitung des Haareabschneidens habe ich unten in der Lösung zu Erni und Bert verschiedene Fundstellen angegeben. Bitte lest mindestens: RGSt. 29, 58 ff. (beim Abscheiden des Bartes verneint); BGH NJW 1953, 1440 (beim Abschneiden des Zopfes bejaht)
3. Erheblichkeitsschwelle
Zur Nachbereitung der "Erheblichkeitsschwelle" lest das Urteil des OLG Karlsruhe abgedruckt in der Zeitschrift VRS 108, 427-428 (2005), hier der wesentliche Inhalt:
"....Das Landgericht hat die Angeklagte unter Bestätigung eines Urteils der Vorinstanz wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 € sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt, weil diese am 20.10.2003 mit ihrem Kraftfahrzeug das Rotlicht an der Kreuzung zur Straßenbahnhaltestelle auf der B 36 bei R. nicht beachtet hatte und es deshalb im Kreuzungsbereich zu einer Kollision mit dem Kraftfahrzeug des Zeugen H. kam, welches durch die Wucht des Aufpralls umgeworfen wurde. Der im Fahrzeug des Zeugen H. befindliche 12-jähriger-Schüler Patrick erlitt hierbei eine zehn Zentimeter lange Hautrötung am Hals, als sein Sicherheitsgurt hieran entlang streifte.
Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts, insbesondere hält sie den Tatbestand der Körperverletzung aus Rechtsgründen nicht für erfüllt. [...]
II.Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Freisprechung der Angeklagten.
1. Eine körperliche Misshandlung i.S.d. § 223 StGB - Anhaltspunkte für eine Gesundheitsbeschädigung liegen nicht vor - setzt eine üble und unangemessene Behandlung voraus, durch welche das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 223 Rn. 3a ff.). Zwar stellt die Missachtung des Rotlichts durch die Angeklagte und der hierdurch bewirkte Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge eine derartige üble und unangemessene Behandlung dar, der von der Vorschrift weiter vorausgesetzte Körperverletzungserfolg ist jedoch nicht eingetreten.
Die körperliche Unversehrtheit des Kindes ist nicht beeinträchtigt worden, da keine Verletzungsfolgen im Sinne einer Substanzschädigung eingetreten sind. Zwar kann eine Prellung oder eine Hautabschürfung zu einer solchen führen, aber nur dann, wenn sie über eine nur geringfügige Einwirkung auf die körperliche Integrität hinausgeht (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 5 mit w. Nachw.; LK-Lilie, 11. Aufl. 2001, § 223 Rn. 7; vgl. auch Senat, Beschluss vom 12.07.2002, 1 Ss 56/02 - leichte Rippenschmerzen -; BayObLG DAR 2002, 38 - Prellung -), eine bloße Rötung der Haut reicht hierfür aber nicht aus.
Auch eine Verletzung des körperlichen Wohlbefindens ist nicht entstanden. Weder ist es zu einer erheblichen körperlichen Einwirkung noch zur Zufügung eines länger andauernden oder aber eines nur kurzfristig intensiven Schmerzes - das Kind hat solche überhaupt nicht erlitten - gekommen (vgl. Tröndle, a.a.O., Rn. 4; Senat, Beschluss vom 2.10.2002, 1 Ss 75/02 - Rötung des Ohres -; OLG Karlsruhe Justiz 2001, 193 f. - leichter Fußtritt -; BGH StV 1992, 106 - Ohrfeige -; BGH StV 2001, 680 - Stoß vor die Brust -). Der Umstand, dass der Zusammenstoß zum Umfallen des Fahrzeuges des Zeugen H. geführt hat, reicht hierfür nicht aus, denn es kommt nicht auf die „Erheblichkeit“ der Handlung, sondern der unmittelbaren körperlichen Einwirkung - mithin also des Erfolgseintritts - an. Insoweit hat die Strafkammer aber lediglich festgestellt, dass die Rötung der Haut am nächsten Tage nicht mehr zu sehen gewesen sei. Die ohnehin nicht längerfristige „Dauer einer Rötung“ besagt aber nichts über das Vorliegen eines aus objektiver Sicht zu beurteilenden erheblichen Eingriffs in das körperliche Wohlbefinden des Schülers."
4. Qualifikationen
Rolf Schmidt, AT, Randnummern 77-90.