Fallösung zur Hausaufgabe:
Telefonterror
Anke Sch. (A) rief den Telefonanschluss des Martin Mrosk (M) am 9. November um 0.43 Uhr, 1.12 Uhr und 1.15 Uhr sowie am 12. November um 4.30 Uhr und 4.32 Uhr an und machte Mitteilungen unterschiedlichen Inhalts im Zusammenhang mit einer vermeintlich begründeten Geldforderung gegen die Cocha GmbH, bei welcher der M beschäftigt war. Die Familie des M wurde "durch die Telefonate jedes mal empfindlich in ihrer Nachtruhe gestört, aus dem Schlaf gerissen und konnte zunächst nicht wieder einschlafen, da sie mit einem erneuten Anruf rechnen musste. Am jeweils nächsten Tag fühlten sie sich unausgeglichen, müde, gerädert und nervös.
Untersuchen Sie in einem Gutachten die Strafbarkeit der A nach § 223 StGB. Welche Rolle spielt dabei, wenn sich A auf jeden Fall nach § 238 StGB strafbar gemacht hat?
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Hinweis zur Nachbearbeitung: Der Fall wurde vom OLG (Ober Landes Gericht) Düsseldorf entschieden!
Fundstelle in der Zeitschrift: Kriminalistik 2002, 623 oder in der NJW (Neue Juristische Wochenschrift) 2002, 2118 oder in Juris unter einer der Zeitschriften-Fundstellen suchen.
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.(Obersatz)
Hier wird der Obersatz aus didaktischen Gründen im letzten Teil nur eingeklammert wiedergegeben und in der Lösung auf den s. g. objektiven Tatbestand reduziert. Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld müssen ansich auch genannt und geprüft werden, doch dazu später.
(Erläuterung der 1. Voraussetzung, Entwicklung einer Definition, + Prüfung)
.(Erläuterung der 2. Voraussetzung, Entwicklung einer Definition)
Übermaßverbot= „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.“
Warnung: Argument ist vorsichtig zu gebrauchen, wir sind nicht dazu da Fehler des Gesetzgebers zu beheben. Ein verfassungswidriges, da unbestimmtes, Gesetz muss der Gesetzgeber eigentlich selbst ändern.
(Prüfung der Vorraussetzung Teil II, Unterdefinition)
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§ 223 I Alt. 1 und 2 ?
1.(Obersatz) § 223 I Alt. 1 und 2
A hat sich gemäß § 223 wegen Körperverletzung zu Lasten der Familie M strafbar gemacht, wenn sie (I)die Familie M durch die Telefonanrufe 1) an der Gesundheit geschädigt oder 2) körperlich misshandelt hat. (und 3) vorsätzlich (II) rechtswidrig und (III)schuldhaft handelte)
I. Tatbestand
1. Gesundheitsschädigung
Die Gesundheitsschädigung setzt einen pathologischen Zustand voraus. Hier besteht der durch die Anrufe verursachte Erfolg allein in Müdigkeit nach ca. 6 Stunden (genauere Ausführung...) Schlafdefizit in der Woche. Das ist kein krankhafter Erschöpfungszustand, der einer ärztlichen Behandlung bedürfte.
2. Körperliche Misshandlung
Für die körperliche Misshandlung ist ein Erfolg, die Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens, durch eine Handlung des Täters erforderlich, die nicht nur unerheblich ist.
a) Körperliche Einwirkung durch Worte?
Fraglich ist zunächst, ob eine direkte körperliche Einwirkung vorliegen muss oder ob die indirekte Auswirkung durch eine Telefonanruf ohne das sich die Personen unmittelbar berühren ausreicht.
Der Körper kann auch durch indirekte Einwirkungen ganz erheblich beschädigt werden (Herzinfarkt bei Drohung mit Pistole). Die Integrität des Körpers soll nach historischer Auslegung des § 223 im Vergleich zum Preußischen StGB voll umfänglich geschützt werden. Daher kommt es nicht auf die Handlung an, sondern auf die Auswirkung. Dies führt allerdings zu Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber der Beleidigung. Diese können aber über die Erheblichkeitsschwelle gelöst werden.
Eine psychische Vermittlung reicht daher aus, wenn es zu nicht nur unerheblichen körperlichen Auswirkungen kommt.
b) Eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung muss sein, da sonst selbst kleinste Lästigkeiten bei Strafe verboten wären, Übermaßverbot Art. 20 III GG.
c) Das Opfer wird auch nicht völlig Rechts- und somit Schutzlos gestellt. Selbst wenn der hier nicht zu prüfende § 238 StGB im Ergebnis auch nicht erfüllt wäre, stehen noch andere Mittel zur Verfügung, Zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch, 1004 BGB, § 117 OwiG.
•Daher darf die Beeinträchtigung nach er Standarddefinition nicht nur unerheblich sein.
c) Nach allgemeiner Lebenserfahrung fällt ein
dreistündiges Schlafdefizit zwei mal in einer Woche nicht zu erheblichen Einschränkungen des
körperlichen Wohlbefindens.
d) Nach der Systematik des Gesetzes sollen Belästigungen die sich weitgehend seelisch auswirken unter § 185 oder § 238 StGB fallen, Strafbarkeitslücken entsehen also nicht. So dass ein systematischer Vergleich gegen eine weite Auslegung des § 223 spricht.
Deshalb hat der Telefonanruf des A das körperliche Wohlbefinden der M und dessen Familie zwar beeinträchtigt, aber nur unerheblich.
II. Ergebnis: A hat sich nicht gemäß § 223 strafbar gemacht.
Zur Zusatzfrage: Wenn § 238 StGB erfüllt wäre, müsste man sich zum Verhältnis Körperverletzung / Stalking äußern. Argumentativ läßt sich hören, dass keine Strafbarkeitslücke entstünde wenn § 223 StGB verneint wird. Eine kriminalpolitische Notwendigkeit im Sinne einer objektiv-teleologishcen Auslegung bestünde nicht, § 223 StGB extensiv (also so weit überspannt, dass jeder Telefonterror darunter fällt) auszulegen.
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