Rechtsanwalt Dr. Thomas Bode

Stiftung Europa-Universität Viadrina
15230, Frankfurt Oder
27.10.2010

Fallösung 2. Stunde

Sachverhalt:

A schlägt der mit einem blauen Hemd bekleideten B mit Absicht überraschend mit der Hand auf den Bauch, als B sich gerade das Hemd über den Kopf zieht. A nutzte die Situation spontan aus. A wollte sich an B rächen, weil diese der A den Freund „ausgespannt“ hat. B hat deswegen Schmerzen, so dass sie zu Boden fällt. A hat alles so gewollt. B ruft ihren Rechtsanwalt an und schmiert sich ein Butterbrot.

 

Fallfrage:

Wie haben sich die Personen strafbar gemacht? (Prüfen sie in einem Gutachten nach welchen Vorschriften sich A und B strafbar gemacht haben. )

 

A.Strafbarkeit der A nach § 223 I S. 1 Alt. 1 StGB durch den Schlag auf B

A hat sich, als sie B auf den Bauch schlug wegen Körperverletzung gemäß § 223 Alt. 1 StGB strafbar gemacht, I. wenn sie B so vorsätzlich körperlich misshandelt hat und dies II. rechtswidrig und III. schuldhaft tat.

 

I. Tatbestand

 

1. Der Bauch ist ein Teil des Körpers der B. Der Schlag der A hat Schmerzen im Bauch verursacht. Die Misshandlung muss „irgendwie“ erheblich sein, Übermaßverbot aus dem Grundgesetz.

 

2. a) B ist vor Schmerzen zusammengebrochen. Die Schmerzen waren also stark. Der Schlag wurde aber nur leicht geführt. Die Erheblichkeit fehlt daher, wenn die Intensität auch der Handlung und nicht nur des Erfolges entscheidend ist.

 

b)Körperverletzung ist schon vom Wortlaut der Überschrift her ein Erfolgsdelikt, bei dem es auf die Verletzung nicht auf die Ausführung ankommt.

 

c) Für das Opfer ist zudem entscheidend, wie stark es verletzt wurde. Aus Opferschutzgesichtspunkten macht es keinen Sinn, leichte Handlungen auszunehmen die zu erheblichen Verletzungen führen (zB das Drücken eines Pistolenabzug).

 

d) Die Beeinträchtigung war also schon erheblich, wenn der leichte Schlag erhebliche Auswirkungen auf das Opfer hatte. Für die Erheblichkeit kommt es auf den Erfolg, nicht auf die Handlung an. OLG Karlsruhe, VRS 108, 427-428; BGH StV 1992, 106 - Ohrfeige.

 

Das körperliche Wohlbefinden B‘s wurde also erheblich beeinträchtigt.

 

3. Alle Tatbestandsmerkmale sind verwirklicht.

 

II. Rechtswidirgkeit

 

Die Tat war rechtswidrig, weil...

 

III. Schuld

 

A handelte auch schuldhaft, da...

 

IV. A hat sich also nach § 223 I Alt. 1 StGB strafbar gemacht (,wenn auch Rechtswidrigkeit und Schuld vorliegen.)

 

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B. A hat den Qualifikationstatbestand des § 224 I Nr. 3 StGB durch den verdeckten Schlag erfüllt, wenn das ein hinterlistiger Überfall war. (Obersatz)

 

I.Definition entwickeln:

„hinterlistiger Überfall“ iSv § 224 I Nr. 3 StGB

 

 

1. Erster Zugriff - allg. Wortverständnis

Nach dem allgemeine Wortlautverständnis ist „Überfall“ jeder plötzliche, unerwartete Angriff auf einen Ahnungslosen.

 

 

A hatte das Hemd gerade vor ihrem Gesicht, eine Ausholbewegung der A konnte sie nicht sehen. Daher war sie ahnungslos als A zuschlug. Die Schlagbewegung war auch plötzlich.

2. Wortlautargument

Der Wortlaut „hinter-“„-list“ verlangt ein vorausgeplantes berechnendes „Fallenstellen“. Sonst liegt keine List vor.

 

Hinterlist setzt danach voraus, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (st. Rspr.; BGHR StGB § 223 a StGB Hinterlist 1 m.w.N.; BGH NStZ 2004, 93 ).

 

3.Systematisches Argument

Auch die erhöhte Strafdrohung des § 224 im Vergleich zu § 223 StGB legt nahe, dass Tatbestandsmerkmal restriktiv (eng) auszulegen und nicht jede zufällige Unaufmerksamkeit des Opfers dem Täter straferhöhend anzulasten.

 

II. (Subsumtion)

 

A handelte aus einem spontanen Entschluss. Die Rache war bloß das Motiv, der Anlass zur Tat. Dafür, dass A darüber hinaus einen Racheplan hatte, nachdem sie B etwa gezielt dazu manipulierte das Hemd hochzuziehen, gibt es keine Anhaltpunkte.

 

Sie nutzte die sich ihr bietende Möglichkeit, dass B wegen dem Hemd über dem Kopf ahnungslos war, lediglich aus. Daher fehlt dem verdeckten Schlag der A das Moment der „Hinterlist“.

 

III. Ergebnis

 

Daher scheidet eine Strafbarkeit aus § 224 Nr. 3 StGB aus.

 

Die Lösung zu § 224 I Nr. 3 StGB wäre für eine Klausur zu ausführlich. Vorschlag einer Klausurlösung:

 

B. Qualifikationstatbestand, § 224 II Nr. 3 StGB

 

Obersatz wie vor...

 

I. Nach dem allgemeinen Wortlautverständnis ist „Überfall“ jeder plötzliche, unerwartete Angriff auf einen Ahnungslosen. A hatte das Hemd gerade vor ihrem Gesicht, eine Ausholbewegung der A konnte sie nicht sehen. Daher war sie ahnungslos als A zuschlug. Die Schlagbewegung war auch plötzlich. Mithin lag eine Überfall vor.

 

II. Das bloße Ausnutzen der Ahnungslosigkeit des Opfers ist aber keine „List“ iS eines hinterlistigen Vorgehens. Das allgemeine Wortverständnis und die erhöhte Strafdrohung verlangen darüber hinaus ein planmäßiges Steuern der Situation. Der Täter muss eine List ersinnen, auf die das Opfer herein fällt. Die List muss die Ursache für die Ahnungslosigkeit sein.

 

B zog sich selbst ohne Zutun der A das Hemd vor die Augen. A verursachte die Ablenkung nicht, sondern kam erst durch die die sich zufällig bietende Gelegenheit auf die Idee zur Tat. Die Rache an B bildete bloß das notwendige Motiv zur Tat. A ist hier also nicht hinterlistig vorgegangen und hat sich folglich nicht nach § 224 I Nr. 3 StGB strafbar gemacht.