Rechtsanwalt Dr. Thomas Bode

Stiftung Europa-Universität Viadrina
15230, Frankfurt Oder
27.10.2010

Auslegungsmethodik - Kriterien der Auslegung zusammengefasst

Auslegung
Auslegung ist die Feststellung des Sinn- und Bedeutungsgehalts einer Strafnorm. Die Auslegung ist notwendig, da das Strafgesetz auf eine Vielzahl von Sachverhalten anwendbar ist, die sich voneinander unterscheiden.
Auslegungsmethoden

1. Grammatikalische (grammatische) Auslegung
Durch die grammatikalische Auslegung wird der Regelungsgehalt der Norm aus ihrem Wortlaut ermittelt. Diese Auslegungsmethode ist Ausgangspunkt aller Überlegungen, da sie die unmittelbare Aussage des Gesetzgebers zum Gegenstand hat. Was vom Wortlaut nicht erfaßt wird, stellt eine Analogie dar. Wirkt sich diese Analogie zu Lasten des Angeklagten, ist sie unzulässig (nullum crimen sine lege, § 1 StGB, Art. 103 II GG). Erst wenn diese Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, sind weitere Methoden anzuwenden.

2. Systematische Auslegung
Diese Auslegungsmethode knüpft an die Stellung der anzuwendenden Norm im gesamten Normgefüge an. Im Strafgesetzbuch ist dabei insbesondere die Stellung der jeweiligen Norm im jeweiligen Abschnitt des StGB zu berücksichtigen.

3. Historische (genetische) Auslegung
Hierbei wird die geschichtliche Entwicklung der Norm herangezogen sowie deren Entstehungsgeschichte. Hilfsmittel sind dabei vor allem die Gesetzesmaterialien (http://drucksachen.bundestag.de/drucksachen/index.php">Gesetzesvorlagen, Stellungnahmen der parlamentarischen Ausschüsse etc.).

3. Teleologische Auslegung
Der Regelungsgehalt der Norm wird aus ihrem Zweck ermittelt (gr. telos – Zweck). Als Ergebnis wird die sog. ratio legis ermittelt, also der Zustand, der durch die Anwendung der Norm erreicht werden soll.  Der Zweck heiligt aber nicht jedes Mittel. Im Strafrecht muss wegen des Analogieverbots der Wortlaut eingehalten werden. Der für Vertragsauslegung geltende § 133 BGB lässt sich also nicht entsprechend in Gänze auf die Gesetzesauslegung im Strafrecht übertragen. Der vom ursprünglichen Gesetzgeber beabsichtigte Zweck ist aber ein zulässiges Auslegungsmittel, soweit der Wortlaut eingehalten wird (subjektiv-historische Bestimmung des Zwecks). Ich empfehle diese Auslegungsmethode als letztes Kontrollinstrument, um zu prüfen ob die mit den anderen Methoden gewonnene Auslegung mit den Zielen des Gesetzgebers übereinstimmt. Höchst Problematisch ist die s.g. objektiv teleologische Auslegung, nach welcher der Norm ein neuer Zweck  untergeschoben wird, der gerade in den Zeitgeist passt.  http://www.amazon.de/Auslegungsmethodik-Strafrecht-Beispielsfall-Zirbelnuss-Auslegungsmethode/dp/3839106850">Bode, Auslegungsmethodik im Strafrecht an dem Beispielsfall "Emy von der Zirbelnuss", Norderstedt 2009

5. Verfassungskonforme Auslegung
Es ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass jede Rechtsnorm mit dem Grundgesetz im Einklang stehen muss. Orientierung bieten dabei die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze (z.B. Rechtsstaatsprinzip, Verhältnismäßigkeitsprinzip). Auch diese Auslegungsmethode ist nicht unproblematisch. Aufgabe des einfachen Rechtsanwenders (ib der einfachen Gerichte) ist, den im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zu verwirklichen, nicht diesen Willen zu korrigieren. Dafür ist das BVerfG zuständig. Die verfassungskonforme Auslegung unterstellt, der Gesetzgeber habe sich verfassungskonform verhalten wollen.  Wenn man mit dieser Methode arbeitet, ist darauf zu achten, dass sie nur verwendet werden darf, wenn a) überhaupt ein Auslegungsspielraum besteht und b) bei zwei unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten innerhalb dieses Spielraums eine verfassungskonform und die andere verfassungswidrig wäre. Dann ist die verfassungskonforme Verständnismöglichkeit zu bevorzugen.
Kritisch dazu: Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung, Grenzen und Gefahren, Heidelberg 1986.