Aufweichung des Anschlussverbotes bei sachgrundlosen Befristungen (Urteil des BAG vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09)
Nach bisheriger Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) war die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes, die nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG grundsätzlich bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig ist, generell ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Dieses Anschlussverbot enthielt – anders als noch § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 – keine zeitliche Begrenzung, d.h. der zeitliche Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis war irrelevant (BAG vom 6. November 2003, NZA 2005, 218). Eine sachgrundlose Befristung scheiterte daher beispielsweise auch dann, wenn ein Ingenieur eingestellt werden sollte, der bei dem betreffenden Arbeitgeber bereits während seines etliche Jahre zurück liegenden Studiums als Aushilfe in der Produktion gearbeitet hatte. Ebenso bestand ein Anschlussverbot, wenn vor der befristeten Einstellung ein betriebliches Praktikum (BAG vom 18. November 1999, NZA 2000, 529) oder eine Umschulung aufgrund eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt worden war (BAG vom 21. Mai 1997, NZA 1997, 1013).
Dieses Anschlussverbot stand seit jeher in der Kritik und sollte laut Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode aufgehoben werden.
In erheblicher Abweichung zu der oben genannten Rechtsprechung hat das BAG mit Urteil vom 6. April 2011 entschieden, dass eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dann nicht vorliegt, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Nach Ansicht des 7. Senats ergebe dies eine am Sinn und Zweck orientierte, verfassungskonforme Auslegung der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG. Diese soll es Arbeitgebern zum einen ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren und für Arbeitnehmer eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Die Anwendung des Verbots der „Zuvor-Beschäftigung“ sei daher nur insoweit gerechtfertigt, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Ein solcher Missbrauch befristeter Arbeitsverträge komme aber bei lange zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr in Betracht. Hier rechtfertige der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht, weshalb sich das Verbot hier letztlich als Einstellungshindernis erweise. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten bestehe regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen. Dieser Zeitraum entspreche auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt.
Als Folge dieser Aufhebung des generellen Anschlussverbots bei sachgrundlosen Befristungen infolge einer teleologischen Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG können Arbeitnehmer in Zukunft Anschlussbeschäftigungsverhältnisse zumindest dann aufnehmen, wenn sie bei dem betreffenden Arbeitgeber beispielsweise während ihrer Schul-, Ausbildungs- oder Studienzeit schon einmal gearbeitet haben. Für die Arbeitgeber bedeutet diese Aufhebung des generellen Anschlussverbotes eine erhebliche Erleichterung, die erneute Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht, selbst wenn diese nur befristet sind. In der Vergangenheit musste dem Arbeitgeber bei vergleichbaren Sachverhalten oftmals von einer Beschäftigung abgeraten werden.
Artikel
15.04.2011