Rechtsanwältin Sandra Voigt

anwalt.de services AG
90408, Nürnberg
25.08.2015

Sonderzahlung des Chefs: Pflicht oder freiwillige Leistung?

Viele Angestellte erhalten am Ende des Jahres nicht nur das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt, sondern auch Sonderzahlungen. Damit soll entweder die erwiesene bzw. zukünftige Betriebstreue oder die Arbeitsleistung des jeweiligen Mitarbeiters belohnt werden. Doch kann ein Beschäftigter trotz Ausscheidens aus dem Unternehmen diese Leistung verlangen, z. B. weil der Arbeitgeber in den vergangenen Jahren regelmäßig entsprechende Zahlungen getätigt hat?

Chef gewährte jahrelang Sonderzahlung

Ein Bauleiter war seit 1992 in einem Unternehmen beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht, dennoch zahlte der Arbeitgeber seinem Beschäftigten jedes Jahr zusammen mit dem Novembergehalt ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Ferner erhielt er zusammen mit dem Dezembergehalt einen als „Sonderzahlung“ bezeichneten Betrag, der jedoch beinahe jedes Jahr unterschiedlich hoch ausfiel. Laut dem Arbeitgeber war die Höhe der Sonderzuwendung nämlich an das Betriebsergebnis des Unternehmens gekoppelt.

Als das Arbeitsverhältnis zum 19.11.2010 beendet wurde, machte der Bauleiter einen Anspruch auf die Sonderzahlung für das Jahr 2010 geltend. Der Arbeitgeber jedoch wies eine Zahlungspflicht von sich. Schließlich sei eine solche schriftlich nie fixiert worden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiter noch vor Ende des Jahres – und damit vor Fälligkeit eines etwaigen Anspruchs – aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Sofern dennoch ein Anspruch bestehen sollte, setze der Arbeitgeber die Höhe der Sonderzahlung für das Jahr 2010 auf „null“ fest. Daraufhin zog der Bauleiter vor Gericht.

Bauleiter hat Anspruch auf Sonderzuwendung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bejahte einen Anspruch des Bauleiters auf die Sonderzahlung.

Maßgeblich ist der Zweck der Sonderzahlung

So darf ein Anspruch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Bauleiter bereits vor Fälligkeit der Leistung das Unternehmen verlassen hat. Maßgeblich ist vielmehr, welchen Zweck der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung verfolgte und ob er sich mit der Leistungsgewährung auch zukünftig binden wollte.

Wird etwa die Sonderzuwendung an die Arbeitsleistung des Beschäftigten oder an das Betriebsergebnis des Arbeitgebers geknüpft, stellt die Sonderzahlung eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit des Angestellten dar. Das gilt vor allem dann, wenn an die Auszahlung des Betrags keine weiteren Bedingungen – z. B. im Arbeitsvertrag – geknüpft wurden. Der Beschäftigte hat sich die Sonderzuwendung in diesem Fall also erarbeitet; der Chef darf derartige Zahlungen deshalb nicht verweigern.

Will der Arbeitgeber dagegen die erwiesene oder künftige Betriebstreue seiner Mitarbeiter belohnen, ist eine entsprechende Vereinbarung zwingende Voraussetzung. Dann kann der Chef eine Zahlung verweigern bzw. teilweise zurückverlangen, wenn der Arbeitnehmer vor Fälligkeit oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Gewährung der Sonderzuwendung das Unternehmen verlässt. Soll mit einer Sonderzahlung nämlich „nur“ die Betriebstreue belohnt werden, ist einzige Anspruchsvoraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem vereinbarten Zeitpunkt noch besteht.

Eine Klausel, wonach der Arbeitgeber die Auszahlung einer „erarbeiteten Sonderzuwendung“ von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des Jahres abhängig machen kann, wäre gemäß § 307 I 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedoch unwirksam. Schließlich hängt der Wert der Arbeitsleistung, die belohnt werden soll, nicht von der Beschäftigungsdauer ab – maßgeblich ist vielmehr, wie gut und mit welchem Erfolg die Arbeit erbracht wurde. Die Beschäftigungsdauer darf somit bei der Sonderzahlung als Vergütung für Arbeitsleistung keine Rolle spielen.

Sonderzuwendung von Betriebsergebnis abhängig

Vorliegend gab es keine Anzeichen, dass der Arbeitgeber die Sonderzahlung getätigt hat, um die Betriebstreue seines Mitarbeiters zu belohnen. Erstens fehlte es an einer ausdrücklichen Vereinbarung, es existierte also bereits kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber hatte ferner zugegeben, dass die Höhe der Sonderzahlung vom Betriebsergebnis des jeweiligen Jahres abhängig war – somit erhielt der Beschäftigte das zusätzliche Geld als Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen. Aber auch eine konkludente Vereinbarung war nicht ersichtlich – dass die Sonderzuwendung regelmäßig am Ende des Jahres ausgezahlt wurde, durfte nach Ansicht der Richter nicht als einziger Anhaltspunkt für eine Belohnung der Betriebstreue herangezogen werden.

Zahlungsanspruch wegen wiederholter Sonderzahlungen

Da der Bauleiter in den vergangenen Jahren stets vorbehaltslos bzw. ohne Leistungszweckbestimmung eine Sonderzahlung erhalten hat, durfte er erwarten, dass ihm auch im Jahr 2010 eine gewährt wird. Das Argument des Arbeitgebers, wonach die Sonderzahlung stets freiwillig und widerruflich geleistet worden sei, erkannte das BAG nicht an. So hatte der Chef im Jahr 2010 ebenfalls keinen wirksamen Vorbehalt erklärt. Schließlich bedeutet „freiwillig“ nur, dass eine Zahlungspflicht nicht bereits wegen z. B .einer tariflichen Bestimmung oder Betriebsvereinbarung bestand. Auch kann eine freiwillige Zahlung nicht widerrufen werden – ein Widerruf setzt nämlich eine Verpflichtung zur Leistung voraus. Eine solche gibt es aber bei freiwilligen Zuwendungen nicht.

Auch die Tatsache, dass die Sonderzahlungen beinahe jedes Jahr unterschiedlich hoch ausfielen, schloss einen Anspruch auf Sonderzahlung nicht aus. Der Arbeitgeber selbst ging nämlich davon aus, zur Gewährung verpflichtet zu sein. Er behielt sich lediglich vor, die Höhe der Leistung anhand des jeweiligen Betriebsergebnisses des Unternehmens zu berechnen.

Zwar galt im Rahmen der sog. betrieblichen Übung bislang, dass grundsätzlich ein dauerhafter Anspruch auf Sonderzahlungen besteht, wenn der Arbeitgeber mindestens in drei aufeinanderfolgenden Jahren vorbehaltslose Zahlungen in gleicher Höhe getätigt hat. Diese Rechtsprechung war auch auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, in denen nicht die gesamte Belegschaft eine Sonderzahlung erhält, sondern nur ein einzelner Beschäftigter. Die Rechtsprechung, dass ein Anspruch auf Sonderzuwendung voraussetzt, dass diese in gleicher Höhe gezahlt wird, hat das BAG mit diesem Urteil jedoch ausdrücklich aufgegeben. Damit stand dem Bauleiter trotz regelmäßiger Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe auch für das Jahr 2010 ein Anspruch auf eine Sonderzuwendung zu.

Höhe der Sonderzahlung bislang unklar

Das BAG wies den Rechtsstreit allerdings an das Landesarbeitsgericht zurück. Das muss sich nun mit der Frage auseinandersetzen, wie hoch die Sonderzahlung für das Jahr 2010 tatsächlich ausfällt. Hierbei muss unter anderem geklärt werden, ob eine Leistungsbestimmung auf „null“ nach § 315 III 1 BGB überhaupt zulässig ist.

(BAG, Urteil v. 13.05.2015, Az.: 10 AZR 266/14)

Sandra Voigt                       
Assessorin und Redakteurin bei anwalt.de