Autobesitzer, die die Finanzierung ihres Wagens von dem Autohändler vermittelt bekommen haben, sollten die Widerrufsmöglichkeiten ihrer Verträge überprüfen lassen. Oft sind die Voraussetzungen für eine Rückabwicklung gegeben.
1. Die Ausgangslage; Kfz-Finanzierungen
Die Statistiken der vom sogenannten "Abgas-Skandal" beim Volkswagen-Konzern betroffenen Fahrzeuge zeigen, dass allein in Deutschland rund 2,8 Millionen Fahrzeuge betroffen sind. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.02.2018 droht ein zeitweises Diesel-Fahrverbot in Innenstädten, betroffene Autobesitzer müssen enorme Wertverluste hinnehmen, viele Gebrauchtwagenhändler kaufen Diesel-Fahrzeuge gar nicht mehr an. Anders als in Amerika können die betroffenen Kunden nicht ohne weiteres auf Entschädigungszahlungen rechnen. Doch für diejenigen PKW-Eigentümer, denen der Händler die Kfz-Finanzierung gleich mitvermittelt hat, gibt es einen Lichtblick am Ende des Tunnels:
So wurden die Kfz-Käufe häufig durch einen Kredit der VW-Bank oder ihrer Zweigniederlassungen (Audi-Bank, Seat-Bank, Skoda-Bank), aber auch durch andre Kreditinstitute wie beispielsweise der Santander Consumer Bank oder der Commerzbank Finanz GmbH finanziert. Bei diesen Verträgen tauchen häufig Fehler auf, weshalb eine Rückabwicklung oft in Frage kommt.
2. Fehler in den Verbraucher-Kreditverträgen und deren Folgen
Bei solchen Krediten handelt es sich um ein so genanntes verbundenes Geschäft zwischen PKW-Kauf und PKW-Finanzierung (§ 358 BGB) und – wer den Vertrag als normaler „Verbraucher“ abgeschlossen hat - auch um einen regulären Verbraucher-Kreditvertrag.
Die Bank muss den Kunden bei einem solchen Verbraucherkreditvertrag ordnungsgemäß über dessen Widerrufsrecht belehren. Sofern die Widerrufsinformation einen Fehler aufweist, können Verträge, die ab dem 11.10.2010 abgeschlossen worden sind, auch heute noch und zu überaus lukrativen Konditionen rückabgewickelt werden.
Wenn ein Widerrufsrecht heute wirksam ausgeübt wird, muss die Bank aufgrund der Verbundenheit der Verträge in die Rolle des anderen Vertragspartners, also des Autohauses, „einsteigen“ mit der Folge, dass das Fahrzeug im Rahmen der Rückabwicklung an die Bank herausgegeben werden muss, der Kunde im Gegenzug aber kein Darlehen mehr schuldet und die geleisteten Zins- und Tilgungsraten zurückerhält.
Die Frist für den Widerruf, die normalerweise zwei Wochen beträgt, beginnt beispielsweise dann nicht zu laufen, wenn die Bank den Kunden nicht über alle Pflichtangaben informiert hat. So muss in der dem Kunden zur Verfügung gestellten Vertragsurkunde beispielsweise auch die Angabe über „das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ mitgeteilt werden.
Bei Kfz-Finanzierungsverträgen kommt es auffällig oft vor, dass die Bank den Kunden zwar über sein ordentliches Kündigungsrecht informiert, nicht aber über das außerordentliche Kündigungsrecht. Aufgrund dieser fehlenden Angabe haben mittlerweile einige betroffene Autokäufer ihren Finanzierungsvertrag widerrufen und erfolgreich eine Rückabwicklung verlangt, einige dieser Fälle werden nun vor den Gerichten ausgetragen.
3. Die bisherigen Gerichtsentscheidungen
Bislang gibt es noch keine höchstrichterliche Entscheidung, einige Landgerichte haben sich aber schon positioniert – was wiederum auch gute Möglichkeiten für „Vergleichsgespräche“ bietet.
So hat beispielsweise das Landgericht Arnsberg in seinem Urteil vom 17.11.2017, Az. 2 O 45/17, entschieden, dass ein Autokäufer seinen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag, den er als Verbraucher zum Zwecke der Finanzierung eines Fahrzeugs bei der Hausbank des Fahrzeugherstellers abgeschlossen hat, noch über eineinhalb Jahre nach dessen Abschluss wirksam widerrufen kann. Der Normzweck des Art. 10 Abs. 2 lit. p) VerbrKrRL spreche für die Annahme, dass der Verbraucher auch über alle in Betracht kommenden Kündigungsgründe informiert werden müsse und damit auch über das Kündigungsrecht nach § 314 BGB.
Ausgehend von einem wirksam erklärten Widerruf des Darlehensvertrags sowie im Hinblick auf das verbundene Geschäft zwischen Darlehensvertrag und PKW-Kaufvertrag, hält das LG Arnsberg sodann fest, dass der Kläger der beklagten Autobank weder Zins- noch Tilgungsleistungen schuldet. Vielmehr habe der Verbraucher der Bank lediglich das finanzierte Fahrzeug zurückzugeben und der Bank Wertersatz in Form von Nutzungsentschädigung für den Wertverlust des Fahrzeugs gem. §§ 355, 357c S. 3, 357 Abs. 7 BGB zu bezahlen.
Dieser Auffassung des Landgerichts Arnsberg haben sich zwischenzeitlich das Landgericht Berlin, Urteil vom 05.12.2017, Az. 4 O 150/16, das Landgericht Ellwangen, Urteil vom 25.01.2018, Az. 4 O 232/17, sowie das Landgericht München I, Urteil vom 09.02.2018, Az. 29 O 14138/17, angeschlossen und ausgeführt, dass auch ihrer Auffassung nach die jeweiligen Kläger nicht ausreichend über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags i. S. v. § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB informiert worden seien, da diesen nicht mitgeteilt worden ist, dass ihnen auch ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. § 314 BGB zusteht.
Anders haben bislang das Landgericht Heilbronn in seinem Urteil vom 24.01.2018, Az. 6 O 311/17, sowie das Landgericht Köln in seinem Urteil vom 10.10.2017, Az. 21 O 23/17, entschieden und die Rechtsauffassung vertreten, dass der Autokäufer und Darlehensnehmer bei Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nur über die ihm zustehenden ordentlichen Kündigungsrechte und nicht auch über das ihm ebenfalls zustehende außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB informiert werden müsse.
4. Folgen und weiteres Prozedere für den betroffenen Verbraucher
Nach diesseitigem Dafürhalten sprechen aufgrund der europarechtlichen Vorgaben die besseren Argumente dafür, dass der Kunde auch über das außerordentliche Kündigungsrecht informiert werden muss und ein Ausbleiben dieser Angabe zu einem wirksamen Widerruf führt.
Anders als bei Immobiliardarlehensverträgen hat der Gesetzgeber bei Kfz-Finanzierungen keine Widerrufshöchstfrist von einem Jahr und 14 Tagen eingeführt, weswegen diese Finanzierungen, vorbehaltlich des Eingreifens des Verwirkungs- oder Rechtsmissbrauchseinwands, „auf ewig“ widerrufbar sind, wenn eine Pflichtangabe fehlt.
Den Widerrufsjoker sollten alle Kunden prüfen, die ihren Wagen über die Bank des Autobauers finanziert haben oder die vom Verkäufer eine Finanzierung bei einer anderen Bank vermittelt bekommen haben.
Sollte sich herausstellen, dass Möglichkeiten für einen erfolgreichen Widerruf gegeben sind, sollte der betroffene Kunde den Finanzierungsvertrag erst einmal selbst widerrufen und eine Rückabwicklung verlangen. Erst wenn sich die finanzierende Bank einer Rückabwicklung (oder einem angemessenen Vergleich) verschließen sollte, ist anwaltliche Hilfe gefragt.
Die meisten Rechtschutzversicherungen erteilen eine Deckungszusage dann, wenn die Bank einen begründeten Widerruf als unbegründet zurückgewiesen hat – dann liegt ein „Schadensfall“ vor.