Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
05.01.2011

Zugang des Kündigungsschreibens

Eine Kündigung muss dem Empfänger (Arbeitnehmer) nachweislich zugehen, dies ist gerade für die Wahrung von Fristen relevant. Beweispflichtig ist hierbei in vollem Umfang der Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nun zu entscheiden, ob eine Kündigungserklärung bei Einwurf in den Briefkasten um 10.15 Uhr dem Arbeitnehmer am selben Tag zugegangen ist, wenn ihm die Post üblicherweise bereits zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr zugestellt wird. Im Ergebnis hat das LAG dies bejaht, da der eigene Briefkasten stets Gegenstand der eigenen Wahrnehmung sei.

Der klagende Arbeitnehmer war bei der beklagten Arbeitgeberin seit dem 01.04.2009 angestellt. Die sechsmonatige Probezeit endete vereinbarungsgemäß am 30.09.2009. Mit Schreiben vom 29.09.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis durch Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten des Klägers am 30.09.2009 gegen 10.15 Uhr. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Er habe die Kündigung erst am 01.10.2009 zur Kenntnis nehmen können, da er am 30.09.2009 um 09.30 Uhr seinen Briefkasten geleert habe.

Nachdem der Kläger in erster Instanz unterlag, bestätigte das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach Auffassung der Richter sei die Kündigung am 30.09.2009 um 10.15 Uhr zugegangen. Damit war die Wartezeit im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht abgelaufen und auf die soziale Rechtmäßigkeit der Kündigung kam es nicht an.

Im Einzelnen führte das LAG aus, eine empfangsbedürftige Willenserklärung sei dann zugegangen, wenn sie dergestalt in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umständen dessen Kenntnisnahme erwartet werden kann. Dies beurteile sich nach allgemeinen Gepflogenheiten, während es auf eine etwa vorhandene Kenntnis des Erklärenden von konkreten örtlichen oder persönlichen Gegebenheiten des Adressaten nicht ankomme.

Deshalb kam es im konkreten Fall nicht darauf an, wann die Post im Zustellbereich des Klägers üblicherweise ausgeliefert wurde, zumal es im Falle einer Vertretung des jeweiligen Stammzustellers der verschiedenen Dienstleister wegen Urlaubs oder Krankheit ohnehin zu veränderten Zustellzeiten hatte kommen könne.

Eine per Boten überbrachte Kündigungserklärung geht dem Adressaten erst dann am nächsten Tag zu, wenn das Kündigungsschreiben erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in seinen Briefkasten geworfen wird. Diese reiche jedoch in Berlin bis weit über die Mittagszeit hinaus.

Da das Arbeitsverhältnis des Klägers bei Zugang der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden habe, bedurfte diese zu ihrer Wirksamkeit keiner sozialen Rechtfertigung, vgl. § 1 Abs. 1 KSchG.

LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.06.2010

Az.: 6 Sa 747/10