Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
20.04.2011

Sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung

Nach einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts haben Arbeitgeber nunmehr die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis trotz früherer Beschäftigung ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, sofern die Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliegt. Damit setzen sich die Bundesrichter über den bislang in Praxis und Literatur als eindeutig angesehenen Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hinweg und verändern das bisherige deutsche Befristungsrecht grundlegend.

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig, § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gilt dies jedoch nur, wenn mit demselben Arbeitgeber nicht bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Von der bisherigen Auffassung, dass jedes noch solange zurückliegendes Beschäftigungsverhältnis den Ausschlusstatbestand erfüllt, wendet sich das BAG mit der aktuellen Entscheidung ab. In der Pressemitteilung zur Entscheidung führt es aus, eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne des TzBfG liege nicht vor, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Dies ergebe die an ihrem Sinn und Zweck orientierte und verfassungskonforme Auslegung der gesetzlichen Regelung.

Diese Regelung soll nach Auffassung der Richter Arbeitgebern zum einen ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren, und für Arbeitnehmer eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Zum andern sollen durch das Verbot der „Zuvor-Beschäftigung“ Befristungsketten und der Missbrauch befristeter Arbeitsverträge verhindert werden. Das Verbot könne allerdings auch zu einem Einstellungshindernis werden. Seine Anwendung sei daher nur insoweit gerechtfertigt, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Das sei bei lange Zeit zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr der Fall. Hier rechtfertige der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten bestehe regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen. Dieser Zeitraum entspreche auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt.

 

BAG, Urt. v. 06.04.2011

Az.: 7 AZR 716/09

 

Anmerkung: Die Auswirkungen der Entscheidung auf das Befristungsrecht und die Einstellungspraxis dürften erheblich. Für eine genauere Abschätzung der Tragweite bleibt die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe abzuwarten.