Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
20.01.2011

NS-Vergleich rechtfertigt fristlose Kündigung

Erklärt ein Arbeitnehmer in einer öffentlichen Sitzung gegenüber seinem Arbeitgeber, „er lüge wie gedruckt; wie er mit Menschen umgehe, da komme er (der Arbeitnehmer) sich vor wie im Dritten Reich“, kann dies dessen außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Zu diesem Ergebnis kam sowohl das Arbeitsgericht Frankfurt in erster Instanz, als auch das Landesarbeitsgericht Hessen in der Berufung.

Hintergrund der Auseinandersetzung war eine zunächst ordentliche Kündigung eines 47-Jährigen nach mehr als 30-jähriger Beschäftigung, gegen welche der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhob. Im Kammertermin äußerte der Arbeitnehmer dann in Anwesenheit seines Arbeitgebers sowie dessen Prozessbevollmächtigten Folgendes: „Die Beklagte lügt wie gedruckt. Wie sie mit Menschen umgeht, da komme ich mir vor wie im Dritten Reich“. Der daraufhin folgenden Aufforderung des Kammervorsitzenden, den Saal zu verlassen oder sachlich weiter zu verhandeln, kam der Arbeitnehmer nicht nach.

Die Äußerung des Arbeitnehmers nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Arbeitnehmer nun fristlos zu kündigen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Arbeitsgericht ab. Mit der Berufung hatte der Arbeitnehmer ebenfalls keinen Erfolg. Beide Instanzen erachteten die fristlose Kündigung als wirksam. Grobe Beleidigungen eines Arbeitnehmers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten sind können geeignet sein, eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit müsse regelmäßig zurücktreten, wenn sich die Äußerungen als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorregime sowie erst recht mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen bilde in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung. Die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitgebers oder dessen für ihn handelnden Menschen mit dem vom Nationalsozialismus begangenen Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stelle eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen und zugleich eine Verharmlosung des in der Zeit des Faschismus begangenen Unrechtes und eine Verhöhnung seiner Opfer dar. Mit einer solchen Äußerung werde nach Ansicht der Richter regelmäßig unterstellt, dass die Mitarbeiter bei dem Arbeitgeber willfährigen Handlangern unter dem NS-Regimes gleichzusetzen sind. Der gekündigte Arbeitnehmer habe überdies auch die Chance vertan, die von ihm geübte Schmähkritik auf Hinweis des Kammervorsitzenden umgehend oder wenigstens später zurückzunehmen.

Auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer das LAG Hessen bereits in einem früheren Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber als „korrupt“ und „schlimmer als die Kommunisten“ bezeichnet habe, war für die Gesamtabwägung von Bedeutung.

LAG Hessen, Urt. v.  14.09.2010

Az.: 3 Sa 243/10