Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
28.03.2011

Mutterschutz für GmbH-Geschäftsführerinnen

Die „Danosa“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 11. November 2010 dürfte für deutsche Kapitalgesellschaften weiterreichende Konsequenzen haben.  Bislang konnten GmbH-Geschäftsführerinnen in Deutschland jederzeit und ohne Grund, dass heißt auch ohne Berücksichtigung einer eventuellen Schwangerschaft, abberufen werden, § 38 Abs. 1 GmbHG. Dies ist mit dem EU-Recht nunmehr nicht weiter vereinbar.

Das Urteil des EuGH betrifft den Fall eines lettischen Berufungsgerichts. Frau Danosa, eine Alleingeschäftsführerin einer lettischen Gesellschaft wurde als diese während ihrer Schwangerschaft abberufen. Hiergegen erhob sie Klage und berief sich auf den Arbeitnehmerin-Begriff der sogenannten Mutterschutzrichtlinie von 1992 (Richtlinie 92/85/EWG). Diese sieht in Art. 10 ein Kündigungsverbot vor. Gemäß lettischem Gesellschaftsrecht können Geschäftsführer, wie auch in Deutschland, jederzeit abberufen werden. Das lettische Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob diese jederzeitige Abberufungsmöglichkeit mit der Mutterschutzrichtlinie vereinbar ist, beziehungsweise ob Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen.

Das Urteil des EuGH fiel zugunsten der Klägerin aus. Sie falle unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Der EuGH definierte den Begriff des Arbeitnehmers  der Richtlinie in seiner Entscheidung wie folgt. Arbeitnehmer ist, wer für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen gegen eine entsprechende Vergütung erbringt. Dabei sei das konkret zugrunde liegende Rechtsverhältnis unbeachtlich. Das Unterordnungsverhältnis, welches für die Arbeitnehmereigenschaft Voraussetzung ist, bejahte der EuGH im konkreten Fall ebenfalls, denn die Klägerin sei dem Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig und könne von der Gesellschafterversammlung und eigenen Einfluss abberufen werden. Daher sei jederzeitige Abberufungsmöglichkeit des lettischen Rechts mit Kündigungsverbot des Art. 10 der Mutterschutzrichtlinie unvereinbar.

Da das deutsche Gesellschaftsrecht in diesem Punkt mit dem lettischen vergleichbar ist, ist die Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin zukünftig auch hierzulande erschwert. Aus Gründen, die nicht in der Schwangerschaft liegen, sollte eine Abberufung jedoch nach wie vor möglich sein, denn dies entspräche dem Sinn und Zweck der Richtlinie.

 

EuGH, Urt. v. 11.11.2010

Az.: Rs C-232/09