Wenn ein Betriebsratsmitglied mit Billigung des Gremiums der Aufsichtsbehörde Arbeitszeitverstöße meldet, rechtfertigt dies weder die fristlose Kündigung des Betriebsratsmitglieds, noch dessen Amtsenthebung. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich das Arbeitsgericht Marburg.
Im zugrunde liegenden Fall scheiterte die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers. Mit dem Versuch, ihn hilfsweise aus dem Betriebsrat auszuschließen, scheiterte sie ebenfalls.
Hintergrund der gerichtlichen Auseinandersetzung war der Versuch der Arbeitgeberin, den Beginn der Montags-Nachtschicht auf Sonntag um 21 Uhr vorzuverlegen. Hierzu hatte sie alle betroffenen Arbeitnehmer befragt und deren Einverständnis eingeholt. Eine entsprechende einvernehmliche Regelung mit dem Betriebsrat erfolgte hingegen ebenso wenig, wie die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens.
Daraufhin informierte ein Betriebsratsmitglied den zuständigen Sachbearbeiter für Arbeitsschutz beim Regierungspräsidium über die unerlaubte Nachtarbeit und die Missachtung der Sonn- und Feiertagsruhe. Diese mögliche Ordnungswidrigkeit wurde mit einem Bußgeld von bis zu 15.000 EUR geahndet.
Nachdem die Arbeitgeberin von dem entsprechenden Anruf des Betriebsratsmitglieds Kenntnis erlangte, beschuldigte sie dieses, die Unwahrheit gesagt und eigenmächtig eine Anzeige vorgenommen zu haben. Dies habe in ihren Augen eine schwere Beschädigung ihres Ansehens verursacht und damit das Vertrauensverhältnis massiv zerstört.
Seine Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat verweigert. Er begründete dies damit, dass der Arbeitnehmer keine Anzeige erstattet habe, sondern lediglich ein Gespräch führte, in welchem er versucht habe, Fragen hinsichtlich der Nachtschicht zu klären. Ferner vereinbarte der Arbeitnehmer mit dem Sachbearbeiter, dass dieser den Sachverhalt direkt mit der Geschäftsleitung kläre. Ferner habe er nicht als Arbeitnehmer, sondern als Betriebsratsmitglied in Amtsausübung und im Auftrag des Betriebsrats gehandelt.
Das Arbeitsgericht Marburg bewertete die Kündigung als unzulässig und verweigerte die Zustimmungsersetzung. Es sah keinen wichtigen Grund, der die außerordentliche Kündigung rechtfertige. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Arbeitnehmer nicht als ein solcher oder als Privatmann, sondern als Mitglied des Betriebsrats gehandelt. Handlungen in dieser Funktion können nicht zu einer außerordentlichen Kündigung führen, weil der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebsrats für den Arbeitsschutz zuständig gewesen sei. So sei im Betriebsratsprotokoll auch vermerkt, dass er beim Regierungspräsidium nachfragen sollte. Ferner werteten die Richter den Anruf nicht als Anzeige. Dies hätte auch eines Beschluss des Betriebsrats bedurft.
Letztlich lag in den Augen des Arbeitsgerichts auch keine grobe Verletzung von gesetzlichen Pflichten für eine Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor. Das Gericht stellte vielmehr klar, dass die Arbeitgeberin den geänderten Schichtplan noch gar nicht hätte umsetzen dürfen.
ArbG Marburg, Beschl. v. 12.11.2010
Az.: 2 BV 4/10