Arbeitet eine Arbeitnehmerin während der Elternzeit vereinbarungsgemäß 30 Stunden pro Woche und zwar zwei Tage im Büro und drei Tage zuhause, kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht anweisen, die Bürotage statt wie bisher im wohnortnahen Büro (Frankfurt a.M.) in der Konzernzentrale in London zu absolvieren. Eine solche Weisung habe der Arbeitgeber zu unterlassen, wie das Hessische Landesarbeitsgericht in einem entsprechenden Eilverfahren entschied.
Die 39-jährige Klägerin ist bei dem Beklagten Leiterin der Rechtsabteilung. Sie hat eine nunmehr 14-monatige Tochter und befindet sich in der Elternzeit. Zwischen den Parteien war vereinbart, dass die Klägerin während der Elternzeit bei einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden drei Tage in der Woche von zuhause und zwei Tage im Büro arbeitet.
Nach einigen Monaten teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie ab sofort wegen der Schließung ihres bisherigen Büros zwei Tage pro Woche in der Konzernzentrale in London arbeiten solle. Ferner sollte sie die diesbezüglich anfallenden Kosten (Anreise und Übernachtung) überwiegend selbst zahlen. Hiergegen setzte sich die Klägerin im einstweiligen Verfügungsverfahren zur Wehr und verlangte die Unterlassung der erteilten Weisung sowie die Weiterbeschäftigung von zuhause beziehungsweise im bisherigen Büro.
Nachdem das Arbeitsgericht den Antrag zurückwies, hatte die Klägerin mit der Berufung beim Landesarbeitsgericht Erfolg. Gemäß dem zweitinstanzlichen Urteil hat der Beklagte die Weisung, zwei Tage die Woche in der Londoner Konzernzentrale zu arbeiten, zu unterlassen und muss die Klägerin darüber hinaus im bisherigen Büro oder zuhause weiterbeschäftigen.
In den Augen der Richter komme die Weisung einer unzulässigen Strafversetzung gleich. Das wöchentliche Pendeln zwischen Frankfurt und London zur Arbeitsleistung an zwei Tagen nehme allein deutlich mehr als einen Arbeitstag in Anspruch. Außerdem stünden den vereinbarten 30 Arbeitsstunden pro Woche ein Reiseaufwand und Abwesenheitszeiten von mindestens gleicher Zeit gegenüber. Dies sei der Klägerin unzumutbar und sprenge das vereinbarte Modell zur Vereinbarung von Kinderbetreuung und Beruf.
Im Übrigen stehe schon nicht fest, ob die bisherige Niederlassung des Beklagten nahe dem Wohnort der Klägerin tatsächlich geschlossen worden ist.
Das LAG erachtete auch eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren für geboten, obwohl in vergleichbaren Fällen ein Abwarten eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens und das Befolgen der Weisung bis dahin als zumutbar angesehen wird. Es gelte jedoch etwas anderes, wenn die angegriffene Weisung offenkundig rechtswidrig ist und der Arbeitnehmer in seinem Persönlichkeitsrecht beschränkt wird oder andere erhebliche Beeinträchtigungen in der Lebensführung des Arbeitnehmers drohen. Einen solchen Ausnahmefall nahm das Berufungsgericht hier an.
Hessisches LAG, Urt. v. 15.02.2011
Az.: 13 SaGa 1934/10