Regelmäßig stellen Arbeitgeber bei Einstellungen nach Vorstrafen oder laufenden Ermittlungsverfahren. Gibt der Arbeitnehmer hierzu eine falsche Erklärung ab, kann das eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Nach einer aktuellen Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts gelte dies jedenfalls dann, wenn ein Chefarzt eine Straftat mit beruflichem Bezug (im vorliegenden Fall war es fahrlässige Tötung eines Patienten) verschweigt. In einem solchen Fall stehe der Klinik zum Schutz ihres Rufes ein berechtigtes Interesse an einer sofortigen Trennung zu.
Die beklagte Klinik stellte den Kläger, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, als Chefarzt der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe ein. Zuvor unterzeichnete der Kläger die folgende Erklärung: “Ich erkläre, dass ich über die vorstehenden Angaben hinaus nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarisch belangt worden bin. Außerdem erkläre ich, dass gegen mich kein (weiteres) Strafverfahren, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder Disziplinarverfahren anhängig ist. Ich verpflichte mich, von jedem gegen mich eingeleiteten Straf- oder Ermittlungsverfahren und jeder gerichtlichen Verurteilung Mitteilung zu machen.”
Aus der Presse erfuhr die Beklagte jedoch, dass der Kläger wegen fahrlässiger Tötung eines Neugeboren strafrechtlich zu einer nicht unerheblichen Geldstrafe (13.500,00 Euro) und zivilrechtlich zu einem ebenfalls erheblichen Schmerzensgeld (15.000,00 Euro) verurteilt wurde. Das Verfahren war bereits zum Einstellungszeitpunkt anhängig.
Die Beklagte sah sich daraufhin veranlasst, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zu kündigen. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht zunächst Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hob die Entscheidung auf die Berufung der Beklagten jedoch auf und wies die Klage ab.
Nach Auffassung der Landesrichter war die fristlose Kündigung wirksam. Trotz ausdrücklicher und eindeutiger Verpflichtung habe es der Kläger unterlassen, die Beklagte über das gegen ihn anhängige Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung zu informieren. Angesichts der von der Beklagten verlangten Erklärung sei es für den Kläger offensichtlich gewesen, welch hohen Stellenwert die Beklagte dem guten Ansehen ihrer Beschäftigten – insbesondere in leitender Stellung – bemisst.
Eine entsprechende Information sei auch nicht entbehrlich gewesen, weil es sich um eine „alte Angelegenheit“ gehandelt habe, wie der Kläger meinte. Die Position eines Chefarztes habe eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung und den Ruf der Kliniken, sodass die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran habe, sich sofort von einem Mitarbeiter in dieser Position zu trennen, wenn sich herausstellt, dass dieser nicht nur wegen eines in ähnlicher Funktion begangenen Tötungsdelikts verurteilt wurde, sondern es trotz ausdrücklich übernommener Verpflichtung unterlassen hat, ihr von dem Strafverfahren Mitteilung zu machen.
Hessisches LAG, Urt. v. 05.12.2011
Az.: 7 Sa 524/11