Rechtsanwalt Nils Wittmiss

F-200 ASG Rechtsanwälte GmbH
10117, Berlin
07.02.2011

Heirat lässt Nettolohnvereinbarung unberührt

In der Regel werden in Arbeitsverträgen Bruttolöhne vereinbart, das heißt die vom Arbeitnehmer zu leistenden Sozialabgaben und Steuern sind noch abzuziehen. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien hingegen ohne weitere Absprachen einen Nettolohn, ist der Arbeitgeber hieran gebunden, auch wenn sich Rahmenbedingungen wie die Lohnsteuerklasse ändern. Hierzu entschied kürzlich das Arbeitsgericht Düsseldorf, ein Arbeitgeber sei auch nach einer Heirat und dem Wechsel in die Lohnsteuerklasse V verpflichtet, die Lohnsteuern vollständig zu tragen. Die entsprechende Nettolohnvereinbarung sei nicht ergänzend auszulegen.

Nettolohnvereinbarungen sind aufgrund der für Arbeitgeber einhergehenden Ungewissheit eher die Ausnahme. Die Höhe des vom Arbeitgeber geschuldeten Bruttolohns schwankt, da Sozialabgaben und auch Steuern jährlichen Veränderungen unterliegen. Im vorliegenden Fall stellte sich dem Gericht die Frage, wie sich veränderte Rahmenbedingungen auf eine solche Nettolohnvereinbarung auswirken.

Die Klägerin gab bei den Vertragsverhandlungen mit ihrer Arbeitgeberin an, dass die angebotene Stelle wegen des erforderlichen Umzuges nur in Frage kommt, wenn sie einen Nettoverdienst von mindestens 1.500 EUR monatlich hat. Zu diesem Zeitpunkt war sie ledig und in der Lohnsteuerklasse I. Später wechselte sie, nach Heirat und Geburt ihres ersten Kindes in die Lohnsteuerklasse V, wodurch höhere Lohnsteuern anfielen. Der Arbeitsvertrag enthielt hierzu keine weitergehende Vereinbarung. Daraufhin berechnete die Arbeitgeberin den nach Lohnsteuerklasse V zu zahlenden Nettolohn anhand des sich bei Lohnsteuerklasse I ergebenden Bruttolohns. Folglich fiel der ausgezahlte Betrag geringer als der vertraglich vereinbarte aus. Den Differenzbetrag machte die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geltend und hatte damit Erfolg.

Durch die Vereinbarung eines Nettolohns habe sich die Beklagte zur Übernahme sämtlicher Steuern verpflichtet, so das Gericht. Sie habe damit auch das Risiko (und die Chance) zukünftiger Änderungen der Steuerlast übernommen. Dabei sei bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags die Möglichkeit absehbar gewesen, dass die Klägerin eines Tages heiraten würde.

Der Vertrag wiese damit auch keine Lücke auf, die durch eine ergänzende Regelung hätte gefüllt werden müssen. Für den Arbeitgeber habe sich lediglich das vertraglich übernommene Risiko höherer Steuern verwirklicht.

Folglich konnte auch eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB nicht verlangt werden. Letztlich sei der Wechsel der Lohnsteuerklasse auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB, sondern schlicht und ergreifend steuerlich sinnvoll für die Arbeitnehmerin und damit nicht unredlich.

ArbG Düsseldorf, Urt. v. 24.09.2010

Az.: 10 Ca 2697/10

Anmerkung: Arbeitgeber sollten vor diesem Hintergrund arbeitsvertragliche Nettolohnvereinbarungen vermeiden und im Hinblick auf finanzielle Planungssicherheit den geschuldeten Bruttolohn vertraglich festhalten.